Als die Untersuchung beendet war, meinte er aus freien Stücken, mit § 130 wird wohl nichts anzufangen sein, und mit § 131 auch nicht, ergänzte ich ihn.
Auf die Frage, ob mein Gesuch auf Haftentlassung genehmigt werde, gab er achselzuckend mir zur Antwort: Ich hoffe es in Ihrem Interesse.
Hiermit war das zweite, ich hielt es für das letzte Schlußverhör, beendet, und ich wurde wieder in meine Zelle abgeführt, um sie erst vier Tage später wieder zu verlassen.
Die Zeit bis dahin wurde, wie bisher, ausgefüllt mit Lesen, Promenieren, essen und schlafen.
Ein Glück war es für mich, daß ich interessanten Lesestoff hatte, ich wäre sonst vergangen vor langer Weile. Meine Stimmung war eine gehobene, zuversichtliche, ich hoffte mit Bestimmtheit, gegen Kaution entlassen zu werden und als ich vier Tage später wieder vorgeführt wurde, sagte ich zu meinem Erligheimer, passen Sie auf, jetzt hat das Faulenzen ein Ende, jetzt werde ich entlassen, dann geht es bei Tag wieder an die Hobelbank, nach Feierabend aber in die Wählerversammlungen.
Diese meine gute Stimmung schlug sofort ins Gegenteil um, als der Untersuchungsrichter mir eröffnete, daß das Gesuch um Haftentlassung vom Richterkollegium abgelehnt sei. Ich fragte nach den Gründen der Ablehnung und bekam zur Antwort, daß als einziger Grund Fluchtverdacht angegeben sei.
Ich ließ meiner Entrüstung hierüber dem Untersuchungsrichter gegenüber freien Lauf, der erklärte, er trage an der Ablehnung des Gesuchs
Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/39&oldid=- (Version vom 1.8.2018)