Spitzbube, der, als er verfolgt wurde, aus vollem Halse schrie: „Haltet den Dieb“. Dies sagten wir ihm auch in einer Erklärung in den öffentlichen Blättern auf den Kopf zu.
Die Schließung der „Rose“ war vom Oberamt verfügt. Natürlich steckte auch er wieder dahinter, er hatte noch nicht genug Existenzen vernichtet. Ich begab mich noch am selben Tag mit der Frau unseres Genossen Sch., der infolge der Steinwürfe das Bett nicht verlassen konnte, aufs Oberamt, um die Maßregel rückgängig zu machen, jedoch vorerst ohne Erfolg. Einige Tage später gelang uns dies bei wiederholter Vorstellung.
Unsere nächste Aufgabe war, die Familien der Inhaftierten zu unterstützen, wenn auch deren Ernährer weder politisch noch gewerkschaftlich organisiert waren, so waren sie doch Arbeiter und deren Familien litten Not. Grund genug für uns zum Eingreifen. Wir erließen zunächst einen Aufruf an die Allgemeinheit, der auch Erfolg hatte. Es kam eine hübsche Summe zusammen, die uns in den Stand setzte, manche Träne zu trocknen, manch hungerndes Kind zu sättigen.
Eine Anzahl der Verhafteten mußten am nächsten und die folgenden Tage wieder entlassen werden, da ihnen absolut nichts Strafbares nachzuweisen war. Den Rest von 22, lauter Arbeiter, behielt man über vier Monate in Haft, fünf wurden in der Hauptverhandlung freigesprochen, da bei ihnen die Geschworenen die Schuldfragen verneinten. Die andern erhielten acht, sechs, vier und zwei Monate Gefängnis. Die übrigen bekamen vier bis sechs Wochen Gefängnis wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt. Alle hatten
Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/132&oldid=- (Version vom 1.8.2018)