Wahlresultate zu erfahren, nicht beachtet. Später Kommende, die in der überfüllten „Rose“ keinen Platz mehr fanden, blieben auf dem Marktplatz und beantworteten das nimmer zur Ruhe zu bringende Kegelmaiergeschrei mit Hochrufen auf unseren Kandidaten.
Die Ursache des Wahlkrawalls waren berufene Ordnungshüter. Als wir von der Sache Kenntnis erhielten, war die Erregung schon eine hochgradige. Da und dort waren die Gegner schon handgreiflich geworden und es war höchste Zeit, daß die Riesenmenge beruhigt und zum Auseinandergehen veranlaßt wurde.
Dies versuchte unser Kandidat von der Freitreppe des Rathauses aus und es gelang ihm auch. Auf der Hälfte der Treppe war der Stationskommandant mit einer Anzahl Landjäger postiert, der unseren Kandidaten dringend ersuchte, doch die Menge zu beruhigen, sie hätten alle scharf geladen und Befehl, von der Schußwaffe Gebrauch zu machen.
Es gelang unserem Kandidaten sofort, sich Gehör zu verschaffen und er richtete einen energischen Appell an die Anwesenden, im Interesse unserer guten Sache und deren Ruf, den Platz zu verlassen. Besonders wandte er sich aber an unsere Anhänger mit der Bitte, dies zu tun. „Nicht mit dem Rüstzeug der Barbaren“, sondern mit Geisteswaffen kämpfen wir, in spätestens fünf Jahren treffen wir uns wieder, um mit diesen Waffen den endgültigen Wahlsieg zu erringen. Wer es wirklich ernst und ehrlich mit unserer guten Sache meine, möge es dadurch beweisen, daß er sofort den Platz verlasse.
Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/126&oldid=- (Version vom 1.8.2018)