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Seite:Geschichte des Dt Buchhandels 1 04.djvu/022

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Heiligenbilder waren, wie schon die noch vorhandenen frühen Blätter beweisen, die Hauptaufgabe für den Bildschneider. Sie zeigen gewöhnlich noch ziemlich dicke Umrisse und keine Schraffierung, und da sie bestimmt waren, mit Wasserfarben ausgemalt zu werden, mangeln oft Details im Schnitt, welche eben durch die Farbe angegeben werden sollten: der Formschneider und der Briefmaler waren wohl meistens eine Person. Bald sprach das Bild so deutlich, daß es keiner Erklärung bedurfte, bald wurden die Namen der dargestellten Personen oder Sprüche u. a. m. ebenfalls in den Holzstock geschnitten. Es finden sich aber auch schon aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts zusammengehörige Reihen von Blättern, auf welchen die Hauptmomente einer biblischen Erzählung, der Offenbarung Johannis, die Zehn Gebote oder anderes mehr dargestellt waren: Bücher für die ungelernte Leut, wie es auf den Zehn Geboten in der Bibliothek zu Heidelberg heißt, Armenbibeln, d. h. Bibeln für die (des Lesens Unkundigen) Armen im Geiste, oder Blockbücher, wie der in der Kunstgeschichte gebräuchliche Gattungsname lautet.

Diese in Bildern sprechende Volkslitteratur entwickelte sich ausschließlich im Norden Europas und vorzugsweise unter den germanischen Völkern, Deutschen und Niederländern; sie befriedigte zugleich deren lebendigern und tiefer wurzelnden religiösen Sinn und die Bilderlust, welcher sich im Norden nicht, wie in Italien, große, allgemein zugängliche und allgemein verständliche malerische Schöpfungen an den Wänden von Kirche und Campo santo darboten; sie wurde von Einzelnen, wie von der schon wiederholt erwähnten religiösen Genossenschaft der „Brüder vom gemeinsamen Leben“ in Holland als Mittel der Belehrung in großem Umfange angewandt und erwies sich später als mächtige Waffe in der humanistischen und reformatorischen Bewegung.[1] Und mit ihr wuchs und gedieh der Holzschnitt, sodaß die junge Buchdruckerkunst an ihm einen bereits kräftig auf eigenen Füßen stehenden Gehilfen vorfand. Den kunstreichen Schreibern entlehnte sie die großen verzierten Anfangsbuchstaben, den Rotdruck einzelner Buchstaben, Wörter und Zeilen, auch Randverzierungen u. dgl.; das Figurenbild des Formschneiders konnte sie übernehmen, wie es war: es ließ sich in dieselbe Form spannen mit dem Letternsatz, es gewann aber selbst dabei durch den Pressendruck an Stelle des primitiven Reibverfahrens.


Fußnoten

  1. Vergl. Lippmann, Der italienische Holzschnitt im XV. Jahrh. (Jahrbuch der königl. preuß. Kunstsammlungen. III, 3 fg., 168 fg. V, 3 fg.) – Springer, Bilder aus der neuern Kunstgeschichte. Bonn 1867.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 243. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_04.djvu/022&oldid=- (Version vom 1.8.2018)