gewisser Papiersorten oder auch Formate geworden seien; denn die meisten solcher Bilder kommen ganz gleich oder mit Veränderungen oder Zusätzen in allen den Ländern vor, in welchen am Ausgange des Mittelalters industrielles Leben bestand. Diese Thatsache und die Schwierigkeit, festzustellen, ob ein Papier in demselben Lande, in welchem es beschrieben, bezeichnet oder bedruckt worden ist, auch fabriziert oder ob es als Handelsartikel eingeführt worden sei, haben nach und nach zu einer geringern Wertschätzung, stellenweise einer Unterschätzung der Wasserzeichen geführt. Als Behelf können sie immer von der Archäologie, der litterarischen und Kunstkritik benutzt werden, wenn sie auch um so weniger ein untrügliches Mittel zur Zeit- und Ortsbestimmung oder zur Feststellung der Echtheit eines Dokuments gewähren, als die Fälschung sich längst auch der alten Papiere mit bekannten Wasserzeichen bemächtigt hat. Und für die Industriegeschichte werden sich durch fortgesetzte Sammlung und Vergleichung alter Marken immerhin einige Anhaltspunkte gewinnen lassen. Freilich lehrt auch diese vergleichende Arbeit, wie verschieden ein und dasselbe Bild gedeutet werden kann, nicht nur je nachdem man Oben und Unten, Rechts und Links annimmt. So wollte Gutermann in einem Zeichen, welches ganz ohne Frage eine Glocke vorstellt, die Klapper erkennen, durch welche im Mittelalter die Aussätzigen ihr Nahen verkünden mußten; und da in Ravensburg ein Leprosenhaus bestanden hatte, betrachtete er die erwähnte als eine ausschließlich ravensburger Marke. Ebenderselbe sah das häufig vorkommende P (das wahrscheinlich Papier in verschiedenen Sprachen bedeutet hat[1]) auf den Kopf gestellt und von der Rückseite an und erhielt so ein b, welches abermals für Ravensburg zeugen mußte. Ein Zeichen, welches die Italiener Tre monti (drei Berge) nennen: drei Bögen nebeneinander, über dem mittlern und höhern gewöhnlich ein Kreuz, gilt in andern Ländern als Mitra, und Sotzmann bezeichnet es als Dogenmütze. Der Kardinalshut italienischer und französischer Papiere wird zur Zeit der Puritaner in England zum Freiheitshut, gelegentlich auch zur Narrenkappe.
Festern Boden hat man unter den Füßen, wenn eine Marke dem Wappenschilde der Stadt oder des Landes, in welchem sie sich am frühesten oder doch am häufigsten nachweisen läßt, oder dem Wappen eines dort ansässigen großen Geschlechts entlehnt ist. So stimmt die kurze, nach oben schmäler werdende Leiter in italienischen Papieren des 15.
Fußnoten
- ↑ Für diese Deutung spricht unter anderm der Umstand, daß das Zeichen in Deutschland, den Niederlanden und Frankreich gebräuchlich war, nicht aber in Italien, wo Papier bekanntlich carta heißt.
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 231. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_04.djvu/010&oldid=- (Version vom 1.8.2018)