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Seite:Georgien. Natur, Sitten und Bewohner.pdf/112

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Anstatt falscher Thränen von Heuchlern vergossen,
Befeuchte mein Grab einst nur himmlischer Tau.
Trag weiter, o Ross, deinen treuen Genossen,
Mich schreckt nicht des Schicksals vernichtende Klau’!

Mein Tod soll in Niemandem Mitleid erregen,
Und selbst die Geliebte kein Herzleid mir weih’!
Spreng vorwärts, o Ross, meiner Zukunft entgegen
Und mach mich von meiner Gedankenlast frei!

Nicht spurlos wird bleiben der Pfad meiner Leiden
Und mancher, der nach mir verirrt ihn betritt.
Wird meiner gedenkend den Abgrund vermeiden,
Die Klippen umgehen mit vorsichtigem Schritt.

In seinen Liebesliedern ist er ein ächter Georgier und erinnert sogar in gewissem Grade an Hafiz, wenn ihm auch dessen Humor völlig mangelt:

Der Schöpfer sei gelobt, der dich erschuf
Und dir so schöne, dunkle Augen gab.
In deren Glanze ich mich ganz verlier
Und meine Seelenruhe fand ihr Grab.

Von Sehnsucht dich zu sehen, leb’ ich nur.
Und lieb ist mir selbst deines Namens Klang;
Ach, heil den Schmerz, den ich um dich erfuhr.
Von dem so blass geworden meine Wang’.

Zwar bin ich arm, mein Mantel und mein Ross
Und dieser Dolch sind all mein Hab und Gut,
Doch wärst du mein, wär ich so reich und gross,
Wie’s der nicht ist, dess Haupt auf Seide ruht.

Barataschwili war der einzige Dichter, welcher als wirklicher Vertreter des Byronismus in der georgischen Litteratur angesehen werden kann, während der ihm zeitgenössische Georg Eristawi, welcher mitunter mit einigen Dosen Weltschmerz hervortritt, nur dem Zeitgeiste Folge zu leisten schien. Jedenfalls ahmte er den grossen Sohn Albions ohne Begeisterung nach und hatte auch eigentlich keine Ursache zu einer pessimistischen Lebensanschauung, da seine irdische Pilgerfahrt eine höchst glückliche war.

Empfohlene Zitierweise:
Arthur Leist: Georgien. Natur, Sitten und Bewohner. Verlag von Wilhelm Friedrich, Leipzig 1885, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georgien._Natur,_Sitten_und_Bewohner.pdf/112&oldid=- (Version vom 1.8.2018)