alle die Dienstleistungen aufgezählt werden, wodurch es seiner Klugheit gelungen war, sich in Herrn Delmares Gunst zu setzen; dafür möge hier ein Bild des Obersten selbst seine Stelle finden.
Das Zartgefühl des Herzens betrachtete dieser alte Soldat als weibische Kinderei. Ohne Geist, ohne Takt und ohne Erziehung, genoß er einer größeren Achtung, als man durch Talente und Herzensgüte erlangt. Er hatte breite Schultern und eine kräftige Faust; er wußte den Säbel und den Degen trefflich zu führen und dabei besaß er eine argwöhnische Empfindlichkeit. Da er nicht immer Scherz verstand, so lebte er in fortwährendem Mißtrauen, daß man sich über ihn lustig mache. Durch Drohungen mit Stockschlägen und Duellen wußte er sich Respekt zu verschaffen; deshalb war sein Name in der Provinz stets mit der Bezeichnung des Tapfern begleitet, weil die militärische Tapferkeit augenscheinlich nur darin besteht, breite Schultern und einen starken Schnauzbart zu haben, wie ein Fuhrknecht zu fluchen und bei dem geringsten Streit nach dem Degen zu greifen. Die alten Soldaten des Kaiserreiches, welche fabelhafte Heldentaten ausgeführt hatten, waren in dem Pulverdampf der Schlachten herangewachsen. Aber nach ihrem Rücktritt in das bürgerliche Leben waren sie nur noch kühne und rohe Gesellen und man mußte froh sein, wenn sie sich in der bürgerlichen Gesellschaft nicht wie in einem eroberten Lande betrugen!
Herr Delmare besaß alle guten und alle schlechten Eigenschaften dieser ausgedienten Militärs. Offenherzig bis zur Kinderei in gewissen zarten Punkten des Ehrgefühls, wußte er seine Interessen auf die bestmögliche Weise zu wahren, ohne sich besonders über das Heil oder Unheil zu beunruhigen, welches daraus für andere entstehen konnte. Der Buchstabe des Gesetzes war sein Gewissen, das Recht seine Moral. Er besaß jene unbeugsame Rechtlichkeit, die nichts borgt, aus Furcht, es nicht wiedergeben zu können, und nichts leiht, aus Furcht, es nicht zurückzuerhalten. Er war ein ehrlicher Mann, der lieber sterben will, als einen Ast aus
George Sand: Indiana. Karl Prochaska, Leipzig [u.a.] [1904], Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:George_Sand_Indiana.djvu/59&oldid=- (Version vom 1.8.2018)