„Gott bewahre mich, es ist ja eine fürchterliche Kälte darin.“
„Aber Ihr Abendessen wartet.“
„Ich bin nicht hungrig. Geh und hole meine Boa, die ich im Wagen gelassen habe.“
„Sogleich,“ antwortete Noun, ohne sich jedoch von der Stelle zu rühren. „So geh doch, geh doch!“
Mit diesen Worten drängte Indiana die Zögernde scherzend zur Tür hinaus. Kaum hatte Noun das Zimmer verlassen, als Frau Delmare den Riegel vorschob, Hut und Reisepelz ablegte und beides auf das Bett warf. Dabei kam sie Raymon so nahe, daß er zurückwich und an das Bett stieß, das auf sehr leicht beweglichen Rollen stand und mit einem leichten Geräusch nachgab. Frau Delmare mochte glauben, sie habe selbst an das Bett gestoßen; hob aber doch den Vorhang empor und sah in dem Schein des Kaminfeuers den Kopf eines Mannes an der Wand. Mit einem Schrei stürzte sie nach der Klingel, um Hilfe herbeizurufen. Wenn sie ihre Leute rief, so kompromittierte sie sich selbst. Raymon baute auf ihre Liebe, er eilte auf sie zu, um sie von der Klingel zurückzuhalten. Aus Furcht, von Noun gehört zu werden, die nicht weit sein konnte, dämpfte er seine Stimme, indem er sagte:
„Indiana, verzeihen Sie einem Unglücklichen, den Sie seiner Vernunft beraubt haben, und der sich nicht entschließen konnte, Sie Ihrem Gatten wieder zu überlassen, ehe er Sie noch einmal gesehen hatte.“
Während er Indiana in seine Arme drückte, klopfte Noun angstvoll an die Tür. Frau Delmare riß sich aus Raymons Armen los, öffnete und sank auf einen Lehnstuhl.
Bleich und fast dem Tode nahe, warf sich Noun gegen die Tür des Korridors, um die hin und wieder gehenden Domestiken zu verhindern, Zeugen dieser seltsamen Szene zu werden.
George Sand: Indiana. Karl Prochaska, Leipzig [u.a.] [1904], Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:George_Sand_Indiana.djvu/48&oldid=- (Version vom 1.8.2018)