Tür den Rücken gewendet, in einem großen Lehnstuhl sitzend, sah sie trüb den Flammen im Kamin zu.
In seinen Ballschuhen näherte sich Raymon unhörbar auf dem weichen Teppich. Er sah sie weinen, und als sie den Kopf wandte, fand sie ihn zu ihren Füßen, mit Heftigkeit ihre Hände fassend, die sie vergeblich ihm zu entziehen suchte. Im Nu war ihr Vorhaben, ihn aufzugeben, vergessen. Sie fühlte, daß sie diesen Mann, der keine Hindernisse scheute, mit Leidenschaft liebte und segnete den Himmel, welcher ihr Opfer verwarf. Statt Raymon zu zürnen, hätte sie ihm fast gedankt.
Raymon wußte bereits, daß er geliebt war. Er brauchte die Freude nicht zu sehen, welche durch Indianas Tränen glänzte, um zu begreifen, daß er alles wagen konnte. Ohne ihr seine unerwartete Gegenwart zu erklären, sagte er:
„Indiana, Sie weinen … warum weinen Sie? … Ich will es wissen.“
Sie erbebte, als sie sich bei ihrem Namen nennen hörte.
„Warum fragen Sie danach?“ entgegnete sie; „ich darf es Ihnen nicht sagen …“
„Wohl, Indiana! Ich, ich weiß es. Ich kenne Ihre ganze Geschichte, es gibt nichts, was mir nicht jener Augenblick enthüllt hätte, wo man mich blutend zu Ihren Füßen legte und Ihr Gemahl zornig zusehen mußte, wie Sie mit Ihren weichen Armen meinen Kopf stützten und mit Ihrem sanften Atem mir neues Leben einhauchten. Er ist eifersüchtig! O, ich begreife es wohl; ich wäre es auch, oder vielmehr an seiner Stelle brächt’ ich mich um. Denn Ihr Gatte sein, Indiana, und den Besitz Ihres Herzens nicht verdienen, heißt der schlechteste oder der elendeste der Menschen sein.“
„O, Himmel, schweigen Sie!“ rief die junge Frau, indem sie ihm mit ihren Händen den Mund schloß; „schweigen Sie, denn Sie machen mich strafbar. Warum wollen Sie mir lehren, ihn zu verwünschen? Ich
George Sand: Indiana. Karl Prochaska, Leipzig [u.a.] [1904], Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:George_Sand_Indiana.djvu/34&oldid=- (Version vom 31.7.2018)