„Dein Bewußtsein ist getrübt,“ sagte Ralph in sanftem Tone, „aber du kannst dich beruhigen. Delmare ist aus dem Schlummer nie wieder erwacht, in dem du ihn verließest, er hat deine Flucht nicht erfahren. Ein Schlagfluß hat ihn getroffen.“
„Dann waren die Worte, die er an mich richtete, seine letzten,“ sagte Indiana. „Im Augenblick, wo ich ihn für immer verließ, sprach er im Schlafe und sagte: ‚Dieser Mensch wird dich verderben.‘ Diese Worte werden hier fortleben,“ fügte sie hinzu, indem sie die Hand auf ihr Herz legte.
„Als ich die Kraft hatte, meine Augen und meine Gedanken von dem Toten abzuwenden,“ fuhr Ralph fort, „dachte ich an dich; an dich, Indiana, die jetzt frei war. Ich fürchtete die Wirkung einer zu plötzlichen Nachricht auf dich und wartete am Eingange des Hauses, in dem Glauben, du würdest bald von deinem Morgenspaziergang zurückkommen. Ich wartete vergebens. Ich will nicht von meiner Angst, nicht von meinen Nachforschungen, von meinem Schrecken sprechen, als ich Ophelia zerschmettert am Ufer fand, wohin die Wogen sie geworfen hatten. Ach, ich suchte lange in der Befürchtung, deine Leiche auch finden zu müssen, denn ich dachte, du hättest dir den Tod gegeben, und drei Tage glaubte ich, ich hätte nichts mehr zu lieben auf der Erde. Doch bald verbreitete sich in der Kolonie das Gerücht, daß du die Flucht ergriffen hättest. Ein Schiff, das in der Rhede einlief, war im Kanal von Mosambique der Brigg „Eugène“ begegnet; die Mannschaft war auf dein Schiff hinübergekommen. Ein Passagier hatte dich erkannt und in weniger als drei Tagen wußte die ganze Insel von deiner Flucht.
Ich verschone dich mit den abgeschmackten und kränkenden Gerüchten, zu denen das Zusammentreffen deiner Flucht mit dem Tode deines Gatten Anlaß gab. Mir blieb auf Erden nur noch die einzige Pflicht zu erfüllen, dir Hilfe zu bringen, wenn du sie brauchtest. Ich reiste kurze Zeit nach dir ab; aber die Überfahrt
George Sand: Indiana. Karl Prochaska, Leipzig [u.a.] [1904], Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:George_Sand_Indiana.djvu/164&oldid=- (Version vom 1.8.2018)