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Seite:George Sand Indiana.djvu/162

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Achtundzwanzigstes Kapitel.

An der Barrière hielt der Wagen; ein Diener, den Indiana schon früher bei Raymon gesehen hatte, öffnete den Schlag und fragte, wohin er die gnädige Frau bringen sollte. Indiana nannte ihm mechanisch das Hotel garni, in welchem sie sich zuletzt aufgehalten hatte. Als sie dahin kam, sank sie auf einen Stuhl und blieb so bis zum nächsten Morgen, ohne daran zu denken, sich ins Bett zu legen. Sie wünschte zu sterben, war aber zu gebrochen, zu schwach, um sich töten zu können. Sie glaubte, es sei unmöglich, nach solch entsetzlichen Leiden weiterleben zu können und der Tod würde von selbst kommen, sie zu befreien. So blieb sie den ganzen folgenden Tag, ohne Nahrung zu sich zu nehmen, ohne die wenigen Dienstanerbietungen, die ihr gemacht wurden, zu beachten. Indiana befand sich in einer Lage, wie sie für eine verlassene Frau kaum schrecklicher gedacht werden kann. Tausende von Meilen von jedem teilnahmsvollen Herzen entfernt zu sein, sich ohne Geldmittel in dem großen Paris wie in einer wasserlosen Wüste zu finden, in dem ganzen vergangenen Leben nicht eine Erinnerung zu haben, die nicht vergiftet oder befleckt wäre, in der ganzen Zukunft nicht eine einzige Hoffnung vor sich zu sehen, welche über die furchtbare Gegenwart hinweghelfen könnte, – das ist der äußerste Grad des Elends und der Verlassenheit. Indiana versuchte nicht, gegen ein zerrissenes, vernichtetes Leben zu kämpfen, sie ließ Hunger, Fieber und Schmerz über sich ergehen, ohne eine Klage auszustoßen, ohne eine Träne zu vergießen, ohne einen Versuch zu machen, eine Stunde früher zu sterben, eine Stunde weniger zu leiden.

Am Morgen des zweiten Tages fand man sie starr vor Kälte, mit blauen Lippen, aufeinandergepreßten Zähnen und erloschenen Augen am Boden liegen; doch war sie nicht tot. Die Besitzerin des Hauses untersuchte die Schubfächer des Sekretärs, und als sie nur

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George Sand: Indiana. Karl Prochaska, Leipzig [u.a.] [1904], Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:George_Sand_Indiana.djvu/162&oldid=- (Version vom 1.8.2018)