Zum Inhalt springen

Seite:Geistliche Oden und Lieder-Gellert.djvu/62

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Ein gegenwärtig Gut versäum ich zu genießen,
     Flieh, was mich sucht, und suche, was mich flieht.

35
Im Glücke bin ich stolz, verzagt in Kümmernissen,

     Und ohne Ruh um Ruhe stets bemüht.

Mein Nächster hat ein Recht auf viele meiner Pflichten;
     Doch wird dieß Recht so oft von mir entweiht.
Versagt er mir die Pflicht: so eil ich, ihn zu richten;

40
     Und sein Versehn ist Ungerechtigkeit.


Nicht Liebe gegen Gott heißt mich dem Nächsten dienen,
     Mehr Eigenlieb und niedrer Eigennutz.
Aus ihnen fließt Betrug, Verstellung; und in ihnen
     Findt Neid und Haß, und Stolz und Härte Schutz.

45
Gott ehren ist mein Ruf. Wenn ich den Ruf betrachte,

     Was find ich da für Mängel meiner Pflicht!
Die Wunder der Natur, die Gott zu Lehrern machte,
     Stehn vor mir da, und diese hör ich nicht.

Empfohlene Zitierweise:
Christian Fürchtegott Gellert: Geistliche Oden und Lieder. in der Weidmannischen Handlung, Leipzig 1757, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geistliche_Oden_und_Lieder-Gellert.djvu/62&oldid=- (Version vom 31.7.2018)