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Seite:Friedrich Bauer - Christliche Ethik auf lutherischer Grundlage.pdf/207

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Lebens in der Ewigkeit. Luk. 20, 35. 36. Thatsache ist es ja auch, daß Gott Adam als einen geschaffen, daß der HErr und seine Mutter (?) im jungfräulichen Stand gelebt haben. Sogar die Heiden haben die Virginität als etwas Höheres angesehen: die Vestalinnen bei den Römern, die weissagenden Jungfrauen bei den Germanen. Warum soll überhaupt der Verzicht auf das Erlaubte hier allein nicht höher stehen als der Gebrauch desselben? Freilich lebt sich die menschliche Persönlichkeit erst aus in der Ehe. Der Reichtum der Pflichten, Freuden und Leiden, der im ehelichen Leben liegt, bleibt dem Ehelosen verschlossen, manche Seite der männlichen und weiblichen Individualität bleibt unentwickelt ohne die Ehe. Trotz dieses Mangels aber muß man nach 1. Kor. 7 zugestehen, daß, wenn die Wahl des ehelosen Standes in Beziehung gesetzt wird zum Dienst des Reiches Gottes, in Zusammenhang steht mit einem sonderlichen Beruf im Reich Gottes, also nicht Sache des individuellen Beliebens, der Trägheit und Bequemlichkeit und darum nicht zwecklos ist, daß dann der ehelose Stand zweifellos das Höhere und Bessere ist. So auch Frank: „Immerhin ist es möglich, und hierin liegt ein weiterer Kern der Wahrheit und wird in gewissen Fällen auch der Fall sein, daß in solchem Verhalten, nämlich im Ehelos-bleiben, ein höheres Maß christlicher Vollkommenheit und eine auf sonderlicher Reife des Charakters beruhende Tugend sich kundgibt. So war es ein Zeichen höherer christlicher Vollkommenheit, daß Paulus die Ehelosigkeit in ihrer Bedeutung für seinen Beruf erkannte und durchführte.“

 Näheres über die freie Erwählung des jungfräulichen Lebens siehe unten im Lehrstück vom Erlaubten.

 Der Witwenstand vereinigt sozusagen beide Stücke; denn er bringt die Erfahrung des ehelichen Lebens mit und tritt gewissermaßen wieder in den jungfräulichen Stand ein. Was vom letzteren gilt, gilt auch größtenteils vom Witwenstand, der ebenso seine eignen Versuchungen und Leiden hat wie der jungfräuliche. Während dort das Verlangen nach der Ehe Not macht, macht hier die Entwöhnung und Vereinsamung Not. Namentlich haben die Witwen einen harten Stand, aber auch den Trost, daß sie Gottes besondere Schützlinge sind, wie die Waisen, Deut. 10, 18; Ps. 68, 6; Exod. 22, 22. u. s. w. Der Witwen sich annehmen, ist ein Gott wohlgefälliger Dienst, Jak. 1, 27. Sie sollen vor allem versorgt werden, 1. Tim. 5, 3. Wie eine Witwe ihren Stand Gott wohlgefällig führen soll, zeigt St. Paulus, 1. Tim. 5, 5 ff.