Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 8 | |
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aber von ihm selbst geschriebenen Brief versucht habe, falsche Gerüchte über seinen Verbleib zu verbreiten. Der Angeklagte blieb dabei, daß er die Beschwörungsformel aus einem von Just erhaltenen Buche entnommen habe. Bei seiner Abreise von Berlin hatte er das Pflegekind Misch und außerdem noch ein zweites (Säuglings-)Pflegekind mitgenommen.
Auf Befragen des Vorsitzenden bezeichnete der Angeklagte ein bestimmtes Buch, aus welchem er die Beschwörungsformel entnommen habe. Diese zur Verlesung gebrachte Formel war eine Zusammenstellung des unglaublichsten Unsinns. Als Rezept zur Herstellung des Steins der Weisen wurde angegeben: „Nimm einen ganz neuen irdenen Topf, mische hinein Scheidewasser und lasse es eine halbe Stunde kochen, dann drei Unzen Grünspan und 2½, Unzen Arsenik. Koche es eine halbe Stunde auf, 3 Unzen Eichenrinde und 1 Pack Rosenwasser. Lasse es wieder eine Viertelstunde kochen, ferner 3 Unzen Rauchschwarz und stecke in die Mixtur einen Nagel. Wenn er rostet, dann ist es gut, dann gibt es 1½ Pfund Gold.“
Der Verteidiger teilte unter Vorbehalt eines Antrages mit, daß dem Universitätsprofessor Dr. Levin ein Fall aus dem Mittelalter bekannt sei, daß zu einem Zaubertrank strychninhaltige Krähenaugen verwendet worden seien. Zwischen den mittelalterlichen und den heutigen Zauberbüchern bestehe eine Kontinuität. – Der Angeklagte erklärte auf eine Frage des Vorsitzenden, daß Kartenlegen, Sympathiemittel und derartige Weisheiten in seiner Familie erblich seien.
Kreisphysikus Sanitätsrat Dr. Passauer und Dr. med. Schlichtling gaben Auskunft über den Befund der Leiche bei ihrer Auffindung. Die Obduktion hatte einen besonderen Anhalt für eine Vergiftung nicht gegeben; als Todesursache war Erfrieren angenommen. Dr. Passauer hatte auch den Angeklagten, der angab, wiederholt an epileptischen Anfällen zu leiden, auf seinen Geisteszustand untersucht,
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 8. Hermann Barsdorf, Berlin 1913, Seite 305. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_8_(1913).djvu/309&oldid=- (Version vom 22.4.2024)