Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 8 | |
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Bergner mußte dreimal die vorgeschriebene Beschwörungsformel sprechen und dann die Schale in drei Absätzen leeren. Dann ging man in den Wald hinaus. Nach etwa siebzehn Schritten fiel Fräulein Bergner auf das Gesicht. Er habe sie umgedreht, ihre Taille aufgemacht und sie angerufen, ohne daß sie noch ein Lebenszeichen von sich gab. Er habe sich alsdann ihr Portemonnaie, ihre Schlüssel und einen Talisman, den sie um den Hals trug, angeeignet. Letzteren habe er wieder weggeworfen, als er sah, daß es wertloses Papier war. Dann habe er die Schale, die Kutte und die Larve weggeworfen und sei, ohne sich um die am Boden liegende Bergner weiter zu bekümmern, mit dem kleinen Misch schleunigst nach Berlin gefahren. – Vors.: So schlug Ihnen das Gewissen! Und in Ihrer unendlichen Geldgier sind Sie in Berlin sofort in die Wohnung der Bergner geeilt, haben diese mit dem in Ihrem Besitz befindlichen Schlüssel geöffnet und dort nach Herzenslust geplündert? – Angekl.: Der kleine Misch, welcher in meinem Auftrage Tags vorher bei der Bergner gewesen war, hatte mir erzählt, daß in der Küche noch viel Geld liege, und da dachte ich, es wäre doch schade darum, wenn ich das Geld liegen lasse.
– Vors.: Von der Beschwörung war bei Ihnen nun nichts mehr zurückgeblieben. Sie dachten jetzt nur noch an sehr Reales: an Geld und Geldeswert. Sie holten sich das Geld aus der Küche der Bergner, nahmen die Stoffe, aus denen Röcke angefertigt werden sollten, in einem großen Bündel an sich, stahlen ferner einen Pfandschein, auf den die Bergner einmal einen Regulator versetzt hatte, und versetzten diese Sachen schleunigst bei einem Pfandleiher.
Darauf kam Just, dem Sie vorgeredet hatten, daß bei ihm eine Beschwörung mit einer weißen Taube stattfinden müsse, um die Bergner in ihn verliebt zu machen. Was haben Sie Just gesagt? – Angekl.: Ich sagte ihm, ich sei mit der Beschwörung am Teufelssee nicht sehr zufrieden.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 8. Hermann Barsdorf, Berlin 1913, Seite 303. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_8_(1913).djvu/307&oldid=- (Version vom 21.4.2024)