Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6 | |
|
du mir versprichst‚ daß du dich sobald wie möglich entloben willst, können wir uns wieder gut sein,“ sagte ich. „Ich verspreche dir,“ antwortete sie, „daß ich das in allernächster Zeit tun werde.“ In der Folgezeit kam es wieder zu nächtlichen Zusammenkünften. Den Preßler schilderte sie mir als einen ganz ehrlosen Menschen. Um so strenger mußte ich natürlich auf der Entlobung bestehen. Da machte mir Grete Beier eines Tages die Mitteilung, daß sie sich „in anderen Umständen“ befinde. „Jetzt müssen wir uns rasch verloben,“ sagte ich. „Gern,“ erwiderte sie, „aber er läßt mich nicht frei. Ich kann ihn noch so grob behandeln, es nützt nichts.“ Nun kam die Rheinreise, an der Grete Beier trotz aller meiner Proteste teilnahm. (Heiterkeit.) Aus Eisenach schrieb sie mir, daß sie nun glücklich entlobt sei. Weiter habe ich nichts von der Reise gehört. Nach ihrer Rückkehr wurde Grete Beier dabei ertappt, als sie einmal zu mir wollte. Dabei kam auch heraus, daß sie sich „in anderen Umständen“ befand. Vater Beier bestellte mich aufs Rathaus und machte mir heftige Vorwürfe. Während dieses Gesprächs kam Frau Beier hereingestürzt und beschimpfte mich. Sie sagte: „Das beste wäre, Sie schießen ihr eine Kugel durch den Kopf, dann wäre sie weg.“ Sie fügte noch hinzu, sie werde alles aufbieten, um zu verhindern, daß wir ein Paar würden. Am 21. Oktober 1906 wurde ich auf Veranlassung des Bürgermeisters meine Stellung los und mußte nach Dresden gehen. Ich war längere Zeit dort, als ich einen Brief bekam, daß Grete geboren habe. Ich fragte telephonisch bei ihrem Vater an, der mir sagte, es ginge Grete recht gut. Ich erwiderte: „Machen Sie mir doch nichts vor, ich habe einen Brief in Händen, daß Grete geboren hat. Wenn ich etwas von einer Abtreibung erfahren sollte, gehe ich energisch gegen Sie vor.“ Kurze Zeit darauf schrieb mir Grete, sie sei jetzt dahinter gekommen, was man mit ihr vorhabe. Sie habe einen Brief gefunden, aus dem klar hervorgehe, daß Preßler und ihre
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 315. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/319&oldid=- (Version vom 31.7.2018)