Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3 | |
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vorüber waren, gab Prilukow das Geld aus freien Stücken zurück, obwohl aus begreiflichen Gründen die Revolutionäre nicht gewagt hätten, ihren Anspruch geltend zu machen. (Der Zeuge machte diese Aussage nur zögernd, da sie ihm viele Ungelegenheiten bereiten könnte.) – Rechtsanwalt Mankowsky aus Moskau, ein Sohn des Generalanwalts am Senatsgericht, bekundete: Prilukow hat als besonders tüchtiger Rechtsanwalt gegolten, und um in sein Bureau als Gehilfe einzutreten, habe ich die Richterlaufbahn verlassen. Prilukow war außerordentlich fleißig und arbeitete von 8 Uhr morgens gelegentlich bis 2 Uhr in der Nacht. Als häufiger Gast in der Familie Prilukows kann ich sagen, daß das Verhältnis zwischen den Gatten sehr gut war. Frau Prilukow selbst ermutigte ihren Mann, der Tarnowska im Prozesse wegen der Tötung Borgewskis beizustehen, aber sie erhielt einen sehr peinlichen Eindruck durch eine Zeugenaussage, daß Borgewski gesagt hatte, er würde die Tarnowska geheiratet haben, wenn er eine halbe Million besessen hätte. Prilukow erhielt viele Briefe, in denen die Tarnowska ihn aufforderte, nach Kiew zu kommen. Prilukow widerstand, und darauf suchte ihn die Tarnowska in Moskau auf. Vor seinem Selbstmordversuche hatte Prilukow einen Brief an den Rechtsanwalt Löwenstein geschrieben, in dem er sagte, er sei nicht stark genug gewesen, das Verhältnis mit der Tarnowska zu lösen; er gehe in den Tod, da er sich sonst nicht mehr so halten könnte wie bisher. Auch Rechtsanwalt Kaiser riet Prilukow sehr ernst, von der Tarnowska zu lassen; die Wirkung dieses Gesprächs dauerte aber nur so lange, bis Prilukow die Tarnowska wieder sah. Periodisch machte er dann wieder Versuche, sich dem Zauber zu entziehen; er antwortete auf die Briefe der Tarnowska nicht, ging nicht nach Kiew und stellte sich krank. Die Ärzte befürchteten, daß der Vergiftungsversuch mit Chloral einen schlechten Einfluß auf Prilukows Gehirn habe. In der Tat änderte er sich danach: er wurde zerstreut, fing an zu trinken,
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_3_(1911).djvu/52&oldid=- (Version vom 5.1.2023)