Möglichkeiten vorlagen. Leid getan hat mir, daß mir damals niemand, auch Frhr. v. Berger und viele andere Freunde, Bekannte und Verwandte nicht, gesagt hat: Das alles ist ein Irrtum, die hängen ja gar nicht so eng zusammen. Mir ist nur immer gesagt worden: Ja, es ist so. Hätte man mir damals das gesagt, was jetzt unter Eid gesagt worden ist, dann wäre vieles anders. Dann kam noch ein anderer Faktor hinzu: die Tagespresse. Die Tatsache, daß ich eine Herausforderung erhalten und abgelehnt hatte, wurde in die Zeitungen gebracht, und daraus wurden Rückschlüsse gezogen auf das, was geschehen sein sollte. Entweder hatten die Herren überhaupt nicht gelesen, was ich geschrieben habe, sie erinnerten sich nicht daran, oder sie wollten zeigen, daß sie alles schon vorher gewußt haben; kurz: es erschien eine große Zahl von Artikeln, in denen alles mögliche dem Fürsten Eulenburg, dem Grafen Hohenau usw. vorgeworfen wurde, zum Teil in recht beleidigender Form. Am 6. Januar war noch alles wahr. Dann bildete sich ein Nebelschleier um alles das, was ich in dem halben Jahr geschrieben hatte. Da trat ich auf und sagte: Das ist ja gar nicht wahr, das habe ich ja gar nicht behauptet. Nun hieß es überall: Harden kneift. Ich hatte in einigen umfangreichen Artikeln ganz kurze kleine Warnungssignale erlassen und dabei einige Herren sekundenlang beleuchtet. Es ist nicht nachweisbar, daß durch diese kleinen Bemerkungen große Sensation erregt werden konnte. Wenn wirklich verfügt worden ist: Reinigt euch! so hat sich bisher doch nur einer gereinigt: Graf Moltke. Der eine Graf, der jetzt vor dem Kriegsgericht steht, ging ins Ausland, Lecomte wurde abberufen, Eulenburg machte den mißglückten Versuch, mich in derselben Sache, wo ich angeklagt war, als Zeuge ver- nehmen zu lassen, und nur Moltke klagte. Da mußte ja der Glaube entstehen, nur Moltke kann klagen. Ein Irrglaube! Als die Verhandlung kam, habe ich den Fehler gemacht – zum ersten und letzten Mal – mich durch die Presse in meiner
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 334. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_3_(1911).djvu/342&oldid=- (Version vom 28.3.2024)