Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3 | |
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war geplant, daß Prilukow selbst den Grafen beiseite schaffen sollte. „Nach langen Unterredungen“, sagte er, „gelang es der Tarnowska, mir das Versprechen abzunehmen, daß ich den Grafen töten werde, und es wurde weiter vereinbart, daß ich sofort nach der Tat auch mich selbst umbringe. Sie gab mir einen Revolver und erteilte mir genaue Anweisung, wie ich von dem Mordwerkzeug, sowohl bei Komarowski wie bei mir selbst Gebrauch zu machen habe. Ich sollte mich, nachdem ich den Grafen erschossen, durch einen Schuß in den Mund töten, der so ausgeführt werden mußte, daß mein Gesicht durch die Gewalt des Schusses völlig unkenntlich werde, so daß, wenn mein Leichnam gefunden würde, niemand meine Persönlichkeit festzustellen vermöchte. Als wir dann in Wien waren, kam Naumow dazu, und hier änderte die Tarnowska ihren Plan. Sie meinte, es sei besser, wenn Naumow die Mordtat ausführe, da er sich mehr dazu eigne als ich. Jedoch verlangte sie von mir, daß ich von Wien aus eine mit dem Namen Komarowski unterzeichnete beleidigende Depesche an sie absende. Sie reiste danach mit Naumow nach Rußland ab. Die Depesche habe ich ihr, wie verabredet, geschickt. Es ist mir nicht möglich zu beschreiben, in welcher Seelenverfassung ich mich damals befand. Ich war in Verzweiflung und nicht mehr Herr meines Willens. Ich folgte dem Naumow nach Venedig, weil es der Wunsch der Gräfin war, daß ich sofort nach der Ausführung der Mordtat die Verhaftung Naumows herbeiführen solle. Indem sie mir diesen Plan nahelegte, gab sie mir die Hoffnung, daß sie dann ganz allein die meine sein werde.“ Bei diesen Worten blickte die Tarnowska ihren Mitangeklagten eine Weile mit funkelnden Augen an; doch gewann sie gleich darauf ihre Ruhe wieder. Der Vorsitzende verlas dann vier Telegramme, die von der Tarnowska an einem und demselben Tage aus Wien an den Grafen Komarowski, an Prilukow und an Naumow aufgegeben wurden und die zeigen, wie sie mit allen drei
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_3_(1911).djvu/30&oldid=- (Version vom 25.12.2022)