Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3 | |
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behandelte ihn aber äußerst wetterwendisch, so daß er stets zwischen Himmel und Hölle schwebte und zu ihrem willenlosen Sklaven wurde. Naumow erzählte hierauf ausführlich von seinen Reisen mit der Tarnowska, bei denen sie ihn stets sehr streng behandelte. Infolgedessen war er oftmals der Verzweiflung nahe. Da ihm überdies die Mittel ausgegangen waren und seine Eltern ihm erst kürzlich Geld geschickt hatten, so wandte er sich an die Schwester des Grafen Komarowski und erhielt von dieser 1500 Rubel. In Wien verpflichtete ihn die Tarnowska dazu, während einer Woche das Hotel, in dem sie ihn allein einquartiert hatte, nicht zu verlassen. Naumow schilderte hierauf in ausführlicher Weise, wie die Tarnowska in ihn gedrungen sei, den Grafen Komarowski zu ermorden. Sie wollte mit aller Gewalt, daß ich ihn ermorden sollte, rief der Angeklagte in höchster Erregung aus. Er weinte bei diesen Worten wie ein Kind und mußte hinausgeführt werden. Nachdem die Sitzung wieder aufgenommen war, fuhr der Angeklagte in seiner Erzählung fort und verbreitete sich darüber, wie er sich mit aller Kraft gegen den Willen der Tarnowska gesträubt habe, bis er nicht mehr gewußt habe, was er tue. Wieder und wieder habe sie ihn mit Liebkosungen überhäuft, dann mit Anklagen, daß er sie nicht liebe. Schließlich sei sein armer Kopf wüst und leer gewesen, und er habe alles versprochen, was sie gewollt habe. Noch während der Reise habe er gehofft, daß ein Telegramm von ihr ihn von der Tat abhalten werde, aber es seien nur leere Liebesbeteuerungen eingetroffen. Aus seiner Wäsche und seinen Papieren habe er alle Erkennungszeichen entfernen und ihr versprechen müssen, sich eher selbst zu töten, als sie zu verraten. Unter konvulsivischem Schluchzen[WS 1] erzählte der Angeklagte, die letzten Worte Komarowskis an ihn seien gewesen: „Guter, Lieber, warum? Was habe ich dir getan?“ Er habe den Revolver darauf gegen sich selbst gerichtet, der Schuß sei aber nicht losgegangen. Darauf habe er sich dem Grafen gegenüber
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Schluchen
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_3_(1911).djvu/24&oldid=- (Version vom 25.12.2022)