Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3 | |
|
Journal“ angeboten haben? – Zimmer: Das war nur eine persönliche Frage, welche den Verleger Bruhn und ein Verhältnis zur Staatsbürger-Zeitung betraf. – Vert. Rechtsanwalt Sonnenfeld: Ist das von der Redaktion angenommen oder abgelehnt worden? – Zimmer: Abgelehnt. – Vors.: Haben Sie auch Beziehungen zu Herrn Schiller gehabt? – Zimmer (sehr verlegen): Ja. – Vors.: Nach welcher Richtung arbeitet der? – Zimmer: Er erklärte, es sei ihm egal, er wolle nur Spuren entdecken. Ich ließ mich von ihm für einen Monat engagieren. – Vors.: Welche Spuren wurden denn verfolgt? – Zimmer: Ich sollte mein Augenmerk auch auf christliche Spuren lenken. – Vors.: Waren Sie mit Schiller auch tätig bezüglich des Fleischergesellen Welke? – Zimmer: Nein, das war später. – Auf Befragen des Verteidigers Rechtsanwalt Sonnenfeld bekundete Kriminalkommissar Wehn: Gymnasialdirektor Tomaszewski habe eine Umfrage unter den Schülern gehalten, ob sie Winter mit Lewy zusammen gesehen haben. Sämtliche Schüler haben sich verneinend geäußert. – Oberlehrer Dr. Stöwer: Er kenne den Angeklagten seit fünf Jahren als Mitglied des Turnvereins. Er habe nichts Nachteiliges über den Angeklagten gehört, im Gegenteil, er sei bis zu dem Augenblick, in dem die antisemitische Strömung einsetzte, sehr beliebt gewesen. – Nach beendeter Beweisaufnahme führte Erster Staatsanwalt Dr. Schweigger etwa folgendes aus: Meine Herren Geschworenen! „Das ist der Fluch der bösen Tat, daß sie fortzeugend Böses muß gebären.“ So schrieb vor einigen Tagen eine hiesige Zeitung, so sage auch ich. Seit in dem Mönchsee Leichenteile gefunden wurden, die zur Gewißheit führten, daß ein blühender, junger Mann durch eine entsetzliche Tat ums Leben gekommen ist, ist die hiesige Stadt in zwei Teile zerrissen; ist unsägliches Unglück über die Stadt gekommen. Wieviel Tränen sind geflossen? Der Schrei nach Sühne dieses Verbrechens, dieser Entrüstungschrei findet bei mir ein vollständiges
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_3_(1911).djvu/133&oldid=- (Version vom 18.2.2023)