Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3 | |
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könne. Darauf übergab er mir ein Exposé, das er schon in der Tasche trug. Er sagte, er habe Mittel in der Hand, um zu verhindern, daß Moritz Lewy etwas geschehe. Wenn seine Dienste nicht akzeptiert werden sollten, sei Lewy verloren. Am 30. September, kurz vor dem Speisigerprozeß, war er wieder bei mir und sagte, jetzt würde er auch nicht mehr für 20 000 Mark für die Juden arbeiten, Moritz Lewys Schicksal sei besiegelt. Am 7. Oktober, einem Sonntag, am Tage nach der Verhaftung Lewys, kam er wieder zu mir. Er triumphierte und sagte: Nun sehen Sie, es ist gekommen, wie ich vorausgesehen habe. Der Verteidiger ersuchte, Zimmer über diese Punkte befragen zu dürfen und bat den Ersten Staatsanwalt um sein Einverständnis, daß er den Zeugen, wie es bei Wienecke geschehen, in ein Kreuzverhör nehmen dürfe. – Erster Staatsanwalt: Kreuzverhör? Ich kenne kein Kreuzverhör, in der ganzen Strafprozeßordnung kommt das Wort nicht vor. – Rechtsanwalt Sonnenfeld: Aber doch in der Wissenschaft kennt man es. – Vors.: In der Wissenschaft allerdings. – Staatsanwalt: Ich lehne es ab. – Unter allgemeiner Spannung wurde hierauf Redakteur Zimmer, Bürgermeister und Amtsanwalt a. D., in den Saal gerufen. Der Vorsitzende ließ sich das Exposé geben und übernahm die Vernehmung des Zeugen selbst. – Vors.: Erinnern Sie sich, während des Speisigerprozesses bei Rechtsanwalt Appelbaum gewesen zu sein? – Zimmer: Ja. – Vors.: Was veranlaßte sie dazu? – Zimmer: Ich glaube, der jüdische Handelsmann Gerber sagte mir, ich möchte doch einmal hingehen. – Vors.: Wie kam Gerber dazu, Sie verfolgen doch antisemitische Interessen? – Zimmer: Ich nahm an, daß ich für die Gegenpartei arbeiten sollte. – Vors.: War das vor dem Speisigerprozeß? – Zimmer: Ich kann mich nicht erinnern. – Vors.: Sagten Sie Herrn Appelbaum, daß Sie im Auftrage Gerbers kommen? – Zimmer: Es ist möglich, ich weiß es nicht mehr. – Vors.: Wenn Sie sagten, Sie kämen auf dessen Veranlassung, konnten
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_3_(1911).djvu/128&oldid=- (Version vom 15.2.2023)