Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3 | |
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dieser Alibibeweis auch ausreiche, um von den Lewys den Verdacht der Täterschaft zu nehmen, so bleibe doch die Möglichkeit bestehen, daß der Lewysche Keller zur Tat hergegeben worden sei und daß die Lewys alsdann bei der Beiseiteschaffung der Leichenteile mitgewirkt haben. Er beantrage die Freisprechung der Angeklagten Berg. – Oberstaatsanwalt Dr. Lautz: Der erste Verteidiger ist mit mir darin einig, daß weder der alte Lewy noch einer seiner Söhne den Mord an Ernst Winter verübt habe. Daß Lewy seinen Keller zum Zwecke des Mordes anderen Leuten zur Verfügung gestellt oder vermietet haben sollte, ist ganz unbewiesen, und wird meiner Ansicht nach auch nur herangezogen, um eine Erklärung dafür zu finden, daß im Keller irgend etwas geschehen sein kann. Es fehlt aber jeder Beweis hierfür. Es ist unmöglich, anzunehmen, daß sich fremde Leute gerade den Lewyschen Keller zu einer solchen Tat ausgesucht haben. Der Lewysche Keller wäre hierzu der ungeeignetste Raum, den man sich denken kann. Vorn an der Danziger Straße gehen fortwährend Leute vorüber, und auf der anderen Seite ist das, was im Keller vorgeht, sehr leicht von den Nachbarsleuten zu beobachten. Tatsache ist ferner, daß Lewy, wenn auch nicht in glänzenden, so doch in durchaus geordneten Verhältnissen sich befindet. Welchen Grund hätte er also haben sollen, sich wegen einer Geldentschädigung der Gefahr einer schweren Strafe auszusetzen? Den Mord kann zwar ebensogut ein Jude wie ein Christ begangen haben. Seien Sie versichert, daß die Staatsbehörde, wenn irgendein greifbarer Verdacht vorgelegen hätte, mit vollster Energie vorgegangen wäre; aber auch heute noch fehlt es an jedem begründeten Verdacht. Der Beweis für das Vorhandensein eines Judenkomplottes ist vollständig mißglückt. Alle Versuche der Verteidiger, den Nachweis zu führen, daß fremde Juden sich an solchem Komplott beteiligt hätten, sind mißlungen. Aber nehmen wir selbst an, es hätte solch ein Komplott bestanden, es wären fremde Juden
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_3_(1911).djvu/124&oldid=- (Version vom 15.2.2023)