Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2 | |
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augenscheinlich ganz gut situierten Freiersmann gewesen sein sollte. Der Mann war doch auch so genügsam, daß er im Hinterzimmer kampierte und auf einer Bettstelle schlief, die nur Matratze und Keilkissen hatte. Und treu muß er doch auch gewesen sein, denn nach Gönczis Behauptung hat er ja 17 Jahre um die Gunst der Klara Schultze‚ die so sehr begehrenswert doch nicht mehr war, gebuhlt. Warum also sollte die alte Frau Schultze die Liebeswerbung des Löwy nicht gewollt haben? Nein, das ist alles offenbarer Schwindel! Kein Mensch hat im Hause von der Existenz des Löwy auch nur eine Ahnung gehabt und was die Beschuldigungen des Angeklagten gegen Hinz betrifft, so sind diese zu meiner Freude sowohl vom Gerichtshofe, als auch von der Verteidigung als durchaus hinfällig anerkannt worden, denn sonst hätte Hinz nicht widerspruchslos vereidigt werden können! Alle Angaben, die der Angeklagte über den angeblichen Löwy vorgebracht hat, sind ebenso unwahr, wie seine Behauptung, daß Löwy bei der Abreise im Wartesaal des Bahnhofs Friedrichstraße mit ihm zusammen war und sogar die Reise nach Brüssel mitgemacht habe. Davon weiß kein Mensch etwas, nicht einmal seine eigene Frau.
Ganz widerspruchsvoll sind auch die Angaben, die er in Bezug auf Stiller und dessen Kenntnis von der Existenz des Löwy gemacht hat. Allerdings hat er Herrn Stiller schon im Juni von einem Löwy erzählt. Das läßt sich aber ganz einfach daraus erklären, daß er bei Herrn Stiller damals schon sehr in der Kreide stand und nun, wo er noch eine Ladeneinrichtung auf Kredit haben wollte, zu dem Schwindel griff, Herrn Stiller zu sagen, daß er einen solventen Kompagnon aus Brüssel habe. Ist aber Löwy eine fingierte Person, so wird die Situation für Gönczi furchtbar ernst und das Belastungsmaterial für ihn ist so erdrückend, daß man sich wundern muß, wie er noch die Stirn haben kann, sich gegen dieses Belastungsmaterial aufzulehnen.
Die Mordtat muß am Sonnabend, 14. August, etwa in
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/84&oldid=- (Version vom 31.7.2018)