Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2 | |
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Steckbrief auf das Gönczische Ehepaar sah, bemerkte er sofort: er habe die beiden Leute oftmals in Curtiba gesehen. Auf Veranlassung des deutschen Generalkonsuls wurden sogleich Polizeibeamte nach Curtiba gesandt. Gönczi muß aber durch irgendeine Unvorsichtigkeit Wind bekommen haben, denn er war spurlos aus Curtiba und Umgegend verschwunden. Im September 1899 gelang es, Gönczi und Frau auf Anordnung des deutschen Generalkonsuls Werner in Rio de Janeiro zu verhaften. Nach längeren diplomatischen Verhandlungen wurden Gönczi und Frau per Schiff nach Hamburg und von dort nach Berlin gebracht. Der Hund „Butzi“, von dem sich die Gönczischen Eheleute auch in Brasilien nicht trennen konnten, wurde von dem Generalkonsul Werner zurückbehalten und für Rechnung des preußischen Justizfiskus verkauft. Gönczi und Frau hatten sich vom 3. bis 7. April 1900 vor dem Schwurgericht des Landgerichts Berlin I wegen Mordes bzw. Beihilfe und Begünstigung zu verantworten. Den Vorsitz des Schwurgerichtshofs führte Landgerichtsdirektor Huth. Die Anklage vertrat Staatsanwaltschaftsrat Plaschke; die Verteidigung war dem Rechtsanwalt Dr. Herbert Fränkel und Justizrat Grabower übertragen. Der Andrang des Publikums nach dem großen Schwurgerichtssaal des alten Moabiter Gerichtsgebäudes war enorm. Der vor dem Richtertisch aufgestellte Zeugentisch war von einer Anzahl Pappschachteln bedeckt. Ferner sah man einen Teil des Gönczischen Ladentisches, die in Sackleinwand eingehüllten Kisten, in denen die Leichen der Frau Schultze und ihrer Stieftochter Klara vorgefunden wurden, ein Stück Läuferstoff und dergl. mehr. Zunächst wurde Frau Gönczi von einem Schutzmann auf die Anklagebank geführt. Sie war 50 Jahre alt, eine stark abgemagerte blasse Frau mit einem Kropfhals. Der Kopf der Frau war fast unaufhörlich durch nervöse Zuckungen in Bewegung. Frau Gönczi befand sich in großer Erregung, so daß ihr wiederholt Hoffmannstropfen gereicht werden mußten. Gönczi, 47 Jahre alt, war ein schmächtiger Mann mit wohlgepflegtem
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/59&oldid=- (Version vom 31.7.2018)