Zum Inhalt springen

Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 2 (1911).djvu/57

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

zweiten Stock des Hauses Königgrätzer Straße 35 und führten ein förmlich einsiedlerisches Leben. Außer dem Manne, der ihnen täglich Kohlen brachte, einer Aufwärterin und einer Zeitungsfrau betrat kein Fremder die Schultzesche Wohnung. Die beiden Damen verließen ihr Heim nur, wenn sie in ihrem in der Prenzlauer Allee belegenen zweiten Hause die Mieten einziehen oder mit ihrem am Alexanderplatz wohnenden Bankier Rücksprache nehmen wollten. Sie machten weder Besuche, noch empfingen sie solche, zumal sie sehr geizig und nicht weniger mißtrauisch waren. Am 14. August 1897, vormittags 10 Uhr, waren die beiden Frauen zum letzten Male von Hausbewohnern lebend gesehen worden. Schon gegen Mittag des genannten Tages klingelte der Kohlenmann vergebens vor der Schultzeschen Wohnung. Aber auch Zeitungsboten, Briefträger usw. fanden trotz allen Klingelns keinen Einlaß. Den Hausbewohnern fiel dies wohl auf. Allein ein in der Mühlenstraße wohnender Schuhmacher, namens Gönczi, der einige Wochen vor dem 14. August 1897 im Hause Königgrätzer Straße 35 einen zu ebener Erde gelegenen Laden nebst Keller und Nebengelaß gemietet hatte, teilte den Hausbewohnern mit, die beiden Damen seien nach Paris gefahren, hätten ihm die Schlüssel ihrer Wohnung übergeben und ihn auch mit der Einziehung der Mieten betraut. Den Hausbewohnern schien das sehr wenig glaubhaft. Gleich darauf traf jedoch aus Hannover ein Telegramm von den vermißten Damen an einen alten Hausbewohner ein, in dem die Angaben Gönczis vollauf bestätigt wurden. Ein Telegramm gleichen Inhalts erhielt auch der Verwalter des Schultzeschen Hauses in der Prenzlauer Allee. Es fiel daher niemandem mehr auf, daß Gönczi mit Frau in der Schultzeschen Wohnung sich zu schaffen machte, und auch nicht, daß Gönczi eine Anzahl Fuhren Erde in den Keller schaffen ließ. Endlich, am 23. August, nahmen Hausbewohner einen eigentümlichen, aus dem Keller kommenden Geruch, der auf Leichenverwesung hindeutete, wahr. Als der Keller durch einen Schlosser geöffnet worden

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/57&oldid=- (Version vom 31.7.2018)