Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2 | |
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kein Mörder. Der Angeklagte hat vorher ganz offen mehrere Tage in Frankfurt im Hotel „Englischer Hof“ gewohnt und mit vielen Bekannten verkehrt. Er hat sich ganz offen einen falschen Bart und eine Perücke machen lassen und ist in dieser Vermummung nach Baden-Baden gefahren. Sie haben gehört, daß der Angeklagte aller Welt aufgefallen ist. Eine gewisse Leidenschaft macht nicht nur Menschen zu Hyänen, sondern auch Rechtsanwälte zu Eseln. (Heiterkeit im Zuhörerraum.) Und weshalb sollte der Angeklagte den furchtbaren Mord begangen haben? Nur weil er dadurch schneller sich in den Besitz des Erbteils seiner Frau von 75 000 M. setzen wollte? Meine Herren Geschworenen, der Angeklagte war Rechtsanwalt in Washington. Die Verteidigung in einem größeren Prozeß in Amerika hätte dem Angeklagten 75 000 M. eingebracht. Man kann deshalb nicht annehmen, daß der Angeklagte nach dem Kontinent zurückkommen wird, um sich zu vermummen und seine Schwiegermutter zu erschießen, um schneller in den Besitz von 75 000 M. zu kommen. Man hat einen Menschen gegriffen. Man stellt ihn vor Gericht, verurteilt ihn und köpft ihn. Damit ist die Sache erledigt. Das ist doch aber kein gangbarer Weg. So wird in einem Kulturstaat nicht verfahren. Man hat versucht, durch Preßartikel die öffentliche Meinung gegen den Angeklagten zu beeinflussen. Die Presse ist eine Großmacht. Es ist höchst erfreulich, daß die Vertreter der Presse ihre Macht nicht mißbrauchen, daß sie nicht käuflich sind, sondern nach ihrer freien Überzeugung ein Urteil abgeben. Ich erwarte von Ihnen, meine Herren Geschworenen, daß Sie nicht einen Menschen zum Tode verurteilen, dessen Schuld nicht nachgewiesen ist. Die Tatsache ist nicht aus der Welt zu schaffen, daß zwei verdächtige Männer gesehen worden sind. Die Verhandlung erinnert an den Roman Sherlock Holmes. Es ist aber nicht angänglich, einen Menschen zum Tode zu verurteilen, ohne daß man ihm die Tat nachgewiesen hat. Die ganze Handlungsweise des Angeklagten spricht dagegen. Es ist gesagt
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/53&oldid=- (Version vom 31.7.2018)