Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2 | |
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mit seiner Frau nach London, um von dort nach Washington zu gehen. Da traf in London ein vom Angeklagten an sich selbst aufgegebenes Telegramm ein: er solle sofort nach dem Kontinent zurückkommen. Er fuhr eiligst ab und ersuchte seine Frau, strengstes Stillschweigen zu bewahren, damit die Konkurrenz von seiner Reise nichts erfahre. Der Staatsanwalt schilderte im weiteren den Aufenthalt des Angeklagten in Frankfurt und alsdann die Bluttat in Baden-Baden. Am Abend des vierten Verhandlungstages da bequemte sich der Angeklagte zu einem sogenannten Geständnis. Er sei lediglich nach dem Kontinent und Baden-Baden gekommen, weil er seine Schwägerin Olga, zu der er eine leidenschaftliche Zuneigung hatte, noch einmal vor seiner Abreise nach Amerika sehen und sprechen wollte. Auf die Frage des Herrn Vorsitzenden, weshalb er diese Erklärung nicht schon früher abgegeben, antwortete er: er habe es seiner Frau wegen nicht getan. Als seine Frau zu ihm ins Gefängnis kam und mit ihm eine Unterredung hatte, da erlangte sie die Überzeugung von der Schuld ihres Mannes und ließ in ihm keinen Zweifel, daß sie in den Tod gehen werde. Der Angeklagte fühlte sich nach alledem nicht veranlaßt, seiner Frau zu sagen: Ich will dir gestehen, ich bin nicht der Mörder deiner Mutter, ich hatte vorübergehend eine Zuneigung zu deiner Schwester Olga. Diese wollte ich noch einmal, ehe ich nach Amerika zurückreiste, sehen und sprechen. Nachdem aber die Frau tot war, da hatte der Angeklagte doch gewiß keine Ursache mehr, länger zu schweigen. Der Angeklagte schwieg aber weiter, auch in der Hauptverhandlung. Erst am vierten Verhandlungstage, nachdem die Komödie Lenk aufgeführt war, fühlte er sich in der Abendstunde endlich veranlaßt, eine Erklärung abzugeben. Der Tod seiner Frau veranlaßte ihn nicht, eine Erklärung abzugeben. Aber nachdem Lenk zu 50 M. verurteilt war, da konnte er es nicht mit ansehen, daß jemand seinetwegen verurteilt wird. Deshalb hielt er sich verpflichtet, die bekannte Erklärung zu machen. Ich frage Sie, meine Herren Geschworenen,
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/51&oldid=- (Version vom 1.8.2018)