Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2 | |
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Ehepaar Schindler, offenbar zwei treffliche Leute in guter Lage, haben uns übereinstimmend erklärt, Frida habe nie gelogen, sie war immer anständig und sittsam. Auch Frau Dreßler kennt sie eine Reihe von Jahren und lobt auch ihre Mutter als eine ordentliche Frau. So war die Frida damals: sie trat überall kindlich und bescheiden auf, wenn sie an den Richtertisch gerufen wurde, hat sie einen Knix gemacht und bescheiden geantwortet. Herr v. Tresckow hat gesagt: Das Kind sei jetzt gar nicht wiederzuerkennen, sie ist wie umgewandelt, denn früher war sie freundlich und durchaus kindlich. Der Vormund Huth hat dasselbe gesagt. Jetzt konnte das Kind bei seinen Aussagen ihn nicht ansehen, auch an Frau Dreßler hat sie immer vorbeigesehen. Ihre Tante hat gesagt: der Frida sieht man es immer gleich an, wenn sie lügt. Und jetzt? Jetzt macht Frida Woyda den Eindruck, daß sie stolz darauf ist, als das Wunderkind angestaunt und angeschaut zu werden. Nun sagen die Sachverständigen, daß sie sexuelle Anlage habe. Aber weshalb? Der Fall Sternberg hat die Anregung dazu gegeben. Hat jemand sie beeinflußt oder hat der Prozeß die Wirkung gehabt, daß sie den Entschluß gefaßt hat, so zu reden, dann mag der Fluch, dieses Kind verdorben zu haben für ewige Zeiten, derjenige tragen, der sie dazu veranlaßt hat. Die Frida ist von ganz unparteiischer Seite in der ausgedehntesten Weise zur Wahrheit ermahnt worden, Herr v. Tresckow, Staatsanwalt Dr. Romen, Amtsgerichtsrat Hagen, der Vorsitzende der Strafkammer haben sich alle bemüht, sie zur Wahrheit zu ermahnen, und sie ist trotzdem bei ihrer jetzigen Aussage geblieben: also gelogen hat sie damals. Nun ist die Frage aufgeworfen: wenn sie auch nicht gelogen hat und vielleicht Selbsterlebtes hat erzählen wollen, so ist ihre Erzählung doch deshalb unzuverlässig, weil sie sich die ganze Sache eingebildet hat. Die Sachverständigen sagen, sie sei zu fehlerhafter Wiedergabe des Erlebten disponiert, und dazu komme eine abnorme sexuelle Anlage. Wenn für die Glaubwürdigkeit eines Menschen in
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 293. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/301&oldid=- (Version vom 31.7.2018)