Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2 | |
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Eugen Friedmann zu dem Notar Kemptner bestellt worden, um daselbst eine Aussage in bezug auf Sternberg zu machen. Sie habe gesagt, sie habe keine Veranlassung, für Sternberg etwas zu tun. Einige Zeit darauf sei Eugen Friedmann, den sie für einen zuverlässigen Mann hielt und in dessen Familie sie damals wohnte, mit dem Plane an sie herangetreten, daß sie eine belastende und eine entlastende Aussage aufschreiben und ihre Unterschrift beglaubigen lassen solle. Er wolle damit nach Berlin fahren, der Verteidigung das Schriftstück zum Kaufe anbieten und das Geld dann mit ihr teilen. Sie habe das entlastende Schriftstück, welches einzig die Wahrheit enthielt, nach Berlin geschickt, das belastende habe sie zerreißen wollen, Eugen Friedmann habe es aber nicht herausgegeben, sondern gesagt, er wolle es noch verwerten. Das belastende Schriftstück sei unwahr, das entlastende sei wahr gewesen. – Staatsanwalt: Sie geben also zu, daß Sie ein solches Manöver gemacht haben? – Zeugin: Es tut mir ja leid, daß ich es getan habe. – Auf Befragen des Rechtsanwalts Dr. Werthauer bekundete die Zeugin, daß der Vorgang mit den zweierlei Protokollen im September geschehen sei, daß Fritz Friedmann davon nichts gewußt habe und daß Eugen Friedmann direkt den Gedanken des zweierlei Protokolls angeregt habe. In dem belastenden Protokoll habe nur allgemeines gestanden, aber nichts von der Frida Woyda‚ denn von dieser sei nichts bekannt gewesen. In dem entlastenden Schriftstück habe die Wahrheit gestanden. – Rechtsanwalt Dr. Werthauer: Wieviel Geld wollte sich denn Eugen Friedmann mit den Schriftstücken machen? – Zeugin: Er sprach von 20- oder 50 000 M., die wir uns teilen wollten. – Rechtsanwalt Dr. Werthauer: Das entlastende Schriftstück ist bei Justizrat Dr. Sello eingegangen, aber nicht benutzt worden; ich habe es hier in den Akten. – Vors.: Wie viele junge Mädchen haben nach Ihrer Schätzung mit dem Angeklagten bei Ihnen verkehrt? – Zeugin: Es können 30–50 gewesen sein. – Rechtsanwalt Dr. Fuchs: Sie wollen doch wohl nur sagen,
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 285. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/293&oldid=- (Version vom 31.7.2018)