Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2 | |
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mit mir anknüpfte, die Rede auf Sternberg gebracht und dabei gesagt: Seien Sie nicht so scharf, denken Sie an Ihre Familie und Ihre Stellung, es wird Ihnen später von Nutzen sein. – Der Zeuge brachte noch einige Momente vor, aus denen er zu folgern schien, daß man in den Kreisen von Polizeibeamten Fühlung mit Sternberg oder mit der Verteidigung haben müsse. So habe ihm Rohrbach auch einmal gesagt: Denken Sie an das Schreiben der Briefe an Blümke. Woher habe er die Kenntnis gehabt, daß solche Briefe geschrieben waren? – Vors.: Dann läßt sich also die Sache vielleicht so erklären, daß Rohrbach Kenntnis erhalten hatte, daß Sie mit Frau Blümke korrespondieren und vielleicht aus diesem Grunde Sie aufgefordert hat, an Ihre Familie und Ihre Zukunft zu denken. – Rechtsanwalt Dr. Werthauer: Haben Sie nicht, als Sternberg einmal sich über Sie beschwerte, gesagt: Jetzt werde ich Rache nehmen und ihm ordentlich etwas einbrocken, daß er nicht mehr herauskommt? – Zeuge: Nein, ich habe nur gesagt, wenn ich etwas gegen ihn feststelle, kommt er hinein.
Im weiteren Verlauf der Verhandlung wurde immer wieder die Frida Woyda gefragt, wie sie dazu gekommen sei, in der ersten Verhandlung den Angeklagten Sternberg mit so großer Entschiedenheit zu belasten und nunmehr zu sagen: Das sei alles nicht wahr. Der Vorsitzende bemühte sich, ohne zu ermüden, aus dem Mädchen herauszubekommen, weshalb sie fünf Monate lang vor Polizei und Gericht, vor ihrer Schwester usw. ihre früheren angeblichen Lügen aufrecht erhalten habe und nun mit einemmale ihr Gewissen erleichtern wolle. Das Mädchen erklärte: „sie sei von ganz allein darauf gekommen“, weil sie sah, daß Stierstädter immer wiederkam und ihr Fragen über Dinge vorlegte, die sie gar nicht wußte. Sie habe keine Ruhe gehabt, habe nicht einschlafen können und habe gedacht: wenn sie immer bei ihrer Aussage verbliebe und es wäre doch nicht wahr, dann würde sie der liebe Gott bestrafen! – Angekl. Sternberg: Das Verhalten der
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 247. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/255&oldid=- (Version vom 1.8.2018)