Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2 | |
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Verhaftung hatte vorführen lassen und daß er die Versetzung des Kriminalschutzmanns Stierstädter in das Kommissariat des Kriminalkommissars Thiel verfügt hatte. Aber auch der Kriminalschutzmann Stierstädter mußte zugeben, daß er mit zwei Frauen, die er wegen Kuppelei angezeigt, noch an demselben Tage sträflichen Umgang gehabt habe. Die amtliche Berliner Korrespondenz brachte auch sehr bald die Nachricht, daß Meerscheidt-Hüllessem, Thiel und Stierstädter infolge ihrer gerichtlichen Zeugenaussagen bis nach Erledigung des bereits gegen diese drei Beamten eingeleiteten Disziplinarverfahrens vom Dienst suspendiert seien. – Kriminalkommissar Thiel wurde nach einigen Tagen und zwar des Nachts vom Kriminalpolizei-Inspektor Hoeft in seiner Wohnung verhaftet und nach einiger Zeit vom Schwurgericht des Landgerichts Berlin I wegen Verbrechens im Amte und wissentlichen Meineids zu drei Jahren Zuchthaus, fünf Jahren Ehrverlust und zur dauernden Unfähigkeit zur Bekleidung eines öffentlichen Amtes verurteilt. v. Meerscheidt-Hüllessem, der nach erfolgter Enthebung vom Dienst nervenkrank wurde, starb am 21. Dezember 1900, am Tage der Verurteilung Sternbergs, in seiner Wohnung, angeblich infolge eines plötzlichen Schlaganfalls. Es wurde jedoch allgemein der Vermutung Ausdruck gegeben, daß der Polizeidirektor durch Selbstmord geendet habe. Aber auch eine große Anzahl Privatpersonen, wurden während der Verhandlung teils wegen Zeugenbeeinflussung, teils wegen Erpressung, teils auch wegen Beleidigung im Gerichtssaale verhaftet. Der Angeklagte Luppa, der sich bei Beginn der Verhandlung auf freiem Fuße befand, flüchtete eines Tages nach London. Die Angeklagte Wender wurde im Laufe der Verhandlung auf Antrag des Staatsanwalts verhaftet. Die fortgesetzte Hetze gegen die richterlichen Behörden veranlaßten den Chef der Staatsanwaltschaft am Landgericht Berlin I, Oberstaatsanwalt Dr. Isenbiel, am 24. Tage der Verhandlung am Tische der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und folgende Erklärung abzugeben:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 235. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/243&oldid=- (Version vom 31.7.2018)