Zum Inhalt springen

Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 10 (1914).djvu/7

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10

die Zeitung zu lesen. Rosengart saß auf dem Sofa; vor ihm stand eine brennende Lampe, die Fensterläden waren, wie gewöhnlich, unverschlossen. Kurze Zeit verweilte Frau Rosengart mit ihrem elfjährigen Töchterchen in dem Wohnzimmer, um noch mit Papa zu plaudern. Gegen 9 Uhr verließ Frau Rosengart mit ihrem Töchterchen das Wohnzimmer, „damit Papa ungestört lesen könne“. Kaum hatte Frau Rosengart die Tür hinter sich zugemacht, da krachte ein Schuß, der den Rittergutsbesitzer sofort zu Boden streckte. Eine Kugel hatte ihm den Kopf von links nach rechts durchbohrt, so daß der Tod sofort eingetreten sein muß. Frau Rosengart, die mit ihren Kindern und ihrem Personal herbeigeeilt war, fand ihren Gatten mit zerschmettertem Schädel in einer Blutlache neben dem Sofa liegen. Zwischen der Leiche und dem Sofa lag eine Kugel. Diese hatte zunächst die linke untere Scheibe des Fensters, alsdann den Kopf des Rosengart durchbohrt, hierauf die Tapete und den Kalkputz der gegenüberliegenden Wand 1,25 Meter über dem Fußboden bis auf den Ziegel durchschlagen und ist schließlich zurückprallend in plattgedrückter runder Form zur Erde gefallen. Laut sachverständigem Gutachten war das tödliche Geschoß eine Spitzkugel, die mit einem sogenannten Hinterladegewehr vom Gutshofe aus abgegeben war. Der Mörder ist anscheinend ein sehr gewandter Schütze gewesen, der auch mit den örtlichen und den Wirtschaftsverhältnissen sehr genau vertraut gewesen sein muß. Frau Rosengart sandte sofort einen Wagen nach Königsberg, um einen Arzt und ihren Bruder, den Kaufmann Hermann Adameit, herbeizurufen. Außerdem sandte sie Leute nach dem nahe belegenen Ernsthof, um den Gutsinspektor Paul Rieß herbeizuholen. Da letzterer, trotz mehrfacher Aufforderung, zögerte, den Gendarmen holen zu lassen, ließ Kämmerer Wiemann zwei Pferde satteln, auf denen ein Sohn des Ermordeten und ein Knecht zu dem Gendarm Pfau nach Vorderhufen ritten. Der Verdacht der Täterschaft

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10. Hermann Barsdorf, Berlin 1914, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_10_(1914).djvu/7&oldid=- (Version vom 31.7.2018)