Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10 | |
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Am vierten Verhandlungstage äußerte sich nochmals der Schießsachverständige, Major a. D. Berger: Er habe gestern sagen wollen, daß, wenn ein Mord angenommen werden sollte, es unwahrscheinlich sei, daß hier ein Mörder die Waffe nach dem Kopf des Getöteten gerichtet hat. Der Sachverständige begründete dies mit der Entfernung, in der die Waffe gehalten worden sein muß, denn der Mörder hätte sich sagen müssen, daß bei einer solchen Entfernung die kleinste Seitwärtsbewegung des Opfers ein Verfehlen des Zieles zur Folge haben würde. – Vors.: Jeder Fall liegt doch anders, sie spielen sich doch nicht nach einem bestimmten System ab. Es können solche Taten nicht bloß von einem kühl berechnenden Meuchelmörder, sondern auch im Affekt begangen werden, es kann doch Totschlag vorliegen. – Sachverst.: Auf Totschlag hat sich mein Gutachten nicht bezogen. Im übrigen bleibe ich bei meiner Überzeugung, daß der erste Schuß .... Vors. (unterbrechend): Herr Major, wenn Sie nicht neue Momente vorführen können, würde ich weitere Ausführungen nicht zulassen, denn ich müßte dann jedem der anderen Sachverständigen zur Wiederholung ihrer Aussagen das Wort geben müssen. – Sachverständiger: Neue Momente will ich nicht beibringen, ich will nur betonen, daß ich bei meiner gestrigen Ausführung bleibe. – Justizrat Friedmann: Der Herr Vorsitzende hat wiederholt betont, daß alles getan werden solle, um möglichste Aufklärung zu schaffen, da bitte ich doch, dem Sachverständigen das Wort zu gestatten. – Vors.: Selbstverständlich ist die Aufklärung nach allen Richtungen hin wünschenswert, doch kann ich Wiederholungen nicht zulassen. – Justizrat Friedmann: Dann erlaube ich mir die Frage an den Sachverständigen, ob er bei seiner Meinung verbleibt, daß der zweite und dritte Schuß in den Kopf des Getöteten gegangen ist und der erste Schuß den Hut der Angeklagten getroffen hat? – Vors.: Ich muß dabei bleiben, daß ich dem Sachverständigen nur zur etwaigen
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10. Hermann Barsdorf, Berlin 1914, Seite 252. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_10_(1914).djvu/256&oldid=- (Version vom 5.3.2023)