Präs.: Der Junge soll bei dem Herrn Amtsrichter, obwohl er ihn auf den Arm genommen, platt mit ihm gesprochen habe etc., nicht zum Sprechen zu bewegen gewesen sein.
Zeuge: Das ist mir nicht bekannt.
Verth. Rechts-Anwalt Fleischhauer: Am 3. Dezember v. J. wurden Sie vom hiesigen Land-Gericht wegen Mißhandlung von Judenkindern verurtheilt. Als nun Ihr Sohn Stephan vor dem Herrn Land-Gerichts-Rath Brixius erscheinen sollte, sollen Sie zu dem Herrn Polizei-Sergeanten Schlöer gesagt haben: Ich lasse den Jungen nicht hingehen, die Mörder kommen ja doch frei und unsereiner wird bestraft, haben Sie eine solche Aeußerung gethan? – Zeuge: Das habe ich allerdings gesagt; ich war an diesem Tage ungemein aufgeregt.
Fräulein Riesenkamp, die hierauf als Zeugin erscheint, bekundet: Sie sei am Peter-Paulstage, Abends gegen 7 Uhr, zu Buschhoff gekommen, dieser selbst sei nicht zu Hause gewesen. Sie habe die Frau Buschhoff wegen des Mordes gefragt. Letztere habe ihr geantwortet: der Junge habe einen Sonnenstich bekommen und sei von einem Scheerenschleifer in die Scheune gebracht worden.
Präs.: Ich will Ihnen bemerken, Zeugin, daß Frau Buschhoff diese Aeußerung mit vollster Entschiedenheit als unwahr bezeichnet.
Zeugin: Das hat Frau Buschhoff gesagt, ich erinnere mich der Worte ganz genau.
Präs.: Nun sind Sie sehr bald darauf dem Buschhoff begegnet?
Zeugin: Jawohl, ich ging in die Kirchstraße und unterhielt mich dort mit Frau Kernder über den Mord. Ich sagte dieser: Es ist furchtbar, daß dem kleinen Joanchen der Hals abgeschnitten worden ist. In diesem Augenblick kam Buschhoff vorüber und rief mir zu: „Halten Sie das Maul“.
Verth. Rechtsanwalt Fleischhauer: Buschhoff sagte mir, er habe in der Plattsprache der Zeugin gesagt: Sie thäte besser, das Maul zu halten und mit ihrem Urtheil nicht so voreilig zu sein. Ich beantrage event. die Ladung eines Sachverständigen der plattdeutschen Sprache.
Präs.: Ich glaube nicht, daß das nöthig sein wird, Herr Rechtsanwalt!
Rechtsanwalt Fleischhauer: Ich habe auch nur, wenn erforderlich, diesen Antrag gestellt.
Präs.: Buschhoff, wie kommt es, daß Sie der Zeugin
Hugo Friedländer: Der Knabenmord in Xanten vor dem Schwurgericht zu Cleve vom 4. bis 14. Juli 1892. W. Startz, 1892 Cleve, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Der_Knabenmord_in_Xanten_(1892).djvu/53&oldid=- (Version vom 31.7.2018)