Es erscheint alsdann als Zeuge der Fuhrherr Mallmann. Dieser bekundet auf Befragen des Präsidenten, daß er am Peter-Paulstage Nachmittags gesehen habe, wie die Hermine Buschhoff etwas, was wie ein Sack ausgesehen, in die Küppers’sche Scheune getragen habe. – Präs.: Wann war das? – Zeuge: Es war entweder viertel vor oder viertel nach drei.
Präs.: Was mag in dem Sack wohl gewesen sein?
Zeuge: Das weiß ich nicht.
Präs.: Wann haben Sie diese Ihre Wahrnehmung angezeigt?
Zeuge: Ich habe diese meine Wahrnehmung dem Polizei-Kommissar Verhülsdonk am 21. Juli angezeigt. – Präs.: Weshalb haben Sie so lange damit gezögert? – Zeuge: Ich hatte das in der Aufregung vergessen. – Präs.: Weshalb waren Sie so sehr aufgeregt? – Zeuge: Ich habe von dem Tage des Mordes kaum noch geschlafen, so sehr hatte mich der Mord aufgeregt. – Präs.: Um so eher hätten Sie doch eine solch’ wichtige Wahrnehmung anzeigen müssen. – Zeuge: Ich hatte in der Aufregung das vergessen. – Oberstaatsanwalt Hamm: Der Zeuge scheint an einer merkwürdigen Gedächtnisschwäche zu leiden. Er ist am 1. Juli von dem Herrn Amtsrichter Riesbroeck und am 12. Juli von dem Herrn Stadtsekretär vernommen worden. Bei beiden Vernehmungen hat der Zeuge von seiner Wahrnehmung nichts bekundet. Von dem Herrn Bürgermeister wurde der Zeuge auf die Anzeige Buschhoff’s, daß er ihn fortwährend verfolge und ihm auf der Straße „Mörder“ nachrufe, verantwortlich vernommen. Aber auch bei dieser Vernehmung hat der Zeuge von seiner heutigen Bekundung nichts gesagt, sondern zu Protokoll erklärt: „Ich weiß aus eigener Wissenschaft nichts über den Mord. Ich habe Verschiedenes von dem Kutscher Stallmann erfahren, dieser hat es von der Schneiderin Mölders gehört, und dieser ist es von einer Frau erzählt worden“. Wenn der Widerspruch des Zeugen sich nicht aufklärt, dann ist er meineidig. – Präs.: Nun, Mallmann, wie kommt es, daß Sie sowohl bei dem Herrn Amtsrichter, als auch bei dem Herrn Stadtsekretär zu Protokoll erklärt haben: Sie wissen aus eigener Wissenschaft nichts von dem Morde, während Sie jetzt mit einer solch’ schwerwiegenden Behauptung hervortreten? – Zeuge: Ich habe heute die Wahrheit gesagt, bei meinen ersten Vernehmungen war mir nicht Alles erinnerlich.
Präsident: Sonst pflegt man bei den ersten Vernehmungen
Hugo Friedländer: Der Knabenmord in Xanten vor dem Schwurgericht zu Cleve vom 4. bis 14. Juli 1892. W. Startz, 1892 Cleve, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Der_Knabenmord_in_Xanten_(1892).djvu/44&oldid=- (Version vom 31.7.2018)