sind, es liege kein Mord, sondern nur ein Todtschlag vor, der nicht am Fundorte, sondern in der Buschhoff’schen Wohnung begangen sein dürfte.
Kriminalkommissar Wolff: Wenn ich allerdings aus dem Zusammenhang heraus etwas bekunden soll, dann dürfte meine Gesammtaussage darunter leiden.
Präsident: Ich kann einmal diese Ansicht nicht theilen, andererseits bin ich aber genöthigt, derartig zu verfahren, da das von Ihnen abgegebene Urtheil den Herren medizinischen Sachverständigen unterbreitet werden soll. Die Herren medizinischen Sachverständigen sind aber genöthigt, noch heute abzureisen. Sie haben nun angegeben, der ermordete Knabe sei anscheinend von Buschhoff aus Zorn über die Beschädigung der Grabsteine geschlagen worden. Die dem Kinde zugefügte Verletzung sei eine so schwere gewesen, daß Buschhoff, um dieses Verbrechen zu verdecken, den Knaben geschächtet und alsdann in die Scheune geschafft haben dürfte.
Kriminalkommissar Wolff: Diese meine Vermuthung gründete sich einmal auf den Obduktionsbefund des Herrn Kreisphysikus Dr. Bauer, andererseits aber auch auf eine Reihe anderer von mir gemachten Wahrnehmungen. So wollen mehrere Leute gesehen haben, daß der kleine Hegmann von der Frau und der Tochter des Buschhoff in deren Wohnung gezogen worden sei; auch soll Frau Buschhoff geäußert haben: „Ich freue mich, daß der Leichnam nicht in unserer Wohnung gefunden worden ist, denn alsdann hätte es sofort geheißen, die Juden haben zu rituellen Zwecken einen Christenknaben geschlachtet.“ Ich vermuthete in Folge dessen, der kleine Hegmann sei entweder von den Buschhoffs zu kleinen Dienstleistungen verwendet worden, und als sich der Knabe weigerte, dies ferner zu thun, sei er derartig eingeschüchtert worden, daß er in einen förmlichen Starrkrampf verfallen sei. Auch hielt ich es für möglich, daß er sprach- und willenlos durch Schläge wegen Beschädigung der Grabsteine gemacht worden sei. Für meine Annahme spricht auch der Umstand, daß Niemand den Knaben schreien gehört hat.
Kreisphysikus Dr. Bauer bemerkt, daß ihn der Kriminalkommissar bezüglich des Obduktionsbefundes vollständig mißverstanden haben müsse. Eine Verletzung, die von einem Schlag herrühren könnte, sei an dem ermordeten Kinde nicht wahrgenommen worden.
Hugo Friedländer: Der Knabenmord in Xanten vor dem Schwurgericht zu Cleve vom 4. bis 14. Juli 1892. W. Startz, 1892 Cleve, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Der_Knabenmord_in_Xanten_(1892).djvu/23&oldid=- (Version vom 31.7.2018)