doch selbst geschrieben hat und wie dasselbe zu Stande gekommen ist.
Nach kurzer Berathung beschließt der Gerichtshof, dem Antrage der Vertheidigung stattzugeben.
Es wird alsdann ein an die Staatsanwaltschaft gesandtes anonymes Schreiben verlesen, in dem in eingehendster Weise darzuthun gesucht wird, daß ein Jude, Namens B., der Mörder sein müsse und daß ein ritueller Mord vorliege. Hierauf wird ein zweites, von H. Junkermann unterschriebenes, an die Staatsanwaltschaft gelangtes und von derselben Hand, wie das erste geschriebene Schriftstück, ähnlichen Inhalts verlesen. Der Zeuge bekundet, daß er das Schriftstück nicht geschrieben, er auch den Schreiber nicht kenne.
Der Präsident läßt diese Bekundung des Zeugen protokolliren, alsdann giebt auf weiteres Befragen des Präsidenten der Zeuge zu, daß er einem seiner Kinder die Schriftstücke diktirt habe.
Buschhoff bemerkt: Der Zeuge habe am Abende des Mordes in mauschelndem Tone ihm gesagt: Wenn ich Polizei wäre, dann hätte ich den Mörder schon längst. Wie so, kennen Sie denn den Mörder? fragte ich. Das bist Du, sagte Junkermann, Du wirst wohl den Jungen gemißbraucht haben. Ich antwortete: Wenn es noch ein Mädchen wäre, dann hätte das noch einen kleinen Schein von Berechtigung, es war doch aber ein Knabe. Du scheinst niemals in Berlin gewesen zu sein, versetzte Junkermann, gerade mit Knaben werden solche Sachen gemacht. – Präs.: Junkermann, ist das wahr? – Junkermann: Jawohl, ich glaubte auf diesem Umwege von Buschhoff etwas herauszubekommen.
Präs.: Buschhoff, Sie sollen dem Junkermann, als er Sie gefragt, wer wohl den Mord begangen haben könne, nicht geantwortet, sondern ihm den Rücken gekehrt haben und in Ihr Haus gegangen sein? – Buschhoff: Das ist nicht wahr, ich schlage meine Frau und Tochter als Zeugen darüber vor.
Es wird alsdann zur Vernehmung des Dr. med. Steiner geschritten. Dieser bekundet, daß er am 29. Juni gegen 9 Uhr Abends die Leiche untersucht habe. Die Leichenstarre sei vollständig eingetreten gewesen, so daß er annehme, der Mord müsse sechs Stunden vorher, also etwa gegen drei Uhr Nachmittags begangen worden sein. Auf der Leiche habe ein Mehlsack gelegen. Der Hals war dem Knaben bis auf den Rückenwirbel vollständig glatt durchgeschnitten. Die Leiche lag
Hugo Friedländer: Der Knabenmord in Xanten vor dem Schwurgericht zu Cleve vom 4. bis 14. Juli 1892. W. Startz, 1892 Cleve, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Der_Knabenmord_in_Xanten_(1892).djvu/13&oldid=- (Version vom 31.7.2018)