Grund der Aussage des Mölders das Schuldig gegen den Angeklagten zu beantragen. Sobald festgestellt ist: der Knabe ist zuletzt in Buschhoff’s Haus gewesen, dann muß Buschhoff über den Verbleib Rechenschaft geben. Ich wiederhole, dieses Moment war die Hauptveranlassung, daß gegen Buschhoff, Frau und Tochter Anklage erhoben wurde.
Die Strafkammer hat beschlossen das Verfahren gegen Frau und Tochter einzustellen, die Staatsanwaltschaft hat deshalb Beschwerde geführt, das Oberlandes-Gericht diese Beschwerde aber zurückgewiesen. So ist die Anklage gegen Buschhoff allein übrig geblieben. Es steht nun fest, daß der ermordete Knabe nach 10 Uhr Vormittags nicht mehr gesehen und daß die That in der Scheune begangen worden ist. Es kann deshalb keinem Zweifel unterliegen, daß der Knabe gleich nach 10 Uhr Vormittags in der Küppers’schen Fruchtscheune ermordet worden ist. Buschhoff hat aber in glaubwürdigster Weise nachgewiesen, wo er zu dieser Zeit gewesen ist, er kann mithin die That unmöglich begangen haben. Ich habe bereits gesagt: der Mangel eines Motivs ist es nicht, der die Staatsanwaltschaft veranlassen wird, das Nichtschuldig zu beantragen. Die Staatsanwaltschaft kann die Auffassung des Kriminalkommissars Wolff nicht theilen, wonach Buschhoff den Mord begangen haben könnte, weil ihm der Knabe einen Grabstein beschädigt habe. Dieser winzige Schaden kann den Angeklagten nicht veranlaßt haben, die Mordthat zu begehen.
Auch der Umstand, daß der Angeklagte zu dem Knaben einmal gesagt haben soll: „Du kommst in den Thurm“, kann keinerlei Anhaltspunkte für ein Motiv gewähren, denn der Zeuge Wesendrup hat uns bekundet: Buschhoff habe diese Drohung nur ausgesprochen, damit ihm die Knaben die Grabsteine nicht beschädigen sollen. Da eben keinerlei Motiv vorhanden war, so wurde behauptet: es liege ein Ritualmord vor. Bei einem Ritualmord bedarf es keines weiteren Motivs, der Mörder kann ein ganz guter, braver Mann sein – ein Zeugniß, das dem Buschhoff von den meisten Zeugen ausgestellt wurde – er hat aber trotzdem den Mord begangen, weil die Juden entweder zu Heilzwecken oder zu rituellen Dingen Christenblut gebrauchen. Ich habe bereits ausgeführt, daß hierfür nicht die geringsten Anhaltspunkte vorhanden sind. Dieser Glaube wäre auch niemals entstanden, wenn Dr. Steiner nicht begutachtet hätte, es sei in der Scheune kein Blut gefunden worden,
Hugo Friedländer: Der Knabenmord in Xanten vor dem Schwurgericht zu Cleve vom 4. bis 14. Juli 1892. W. Startz, 1892 Cleve, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Der_Knabenmord_in_Xanten_(1892).djvu/129&oldid=- (Version vom 31.7.2018)