aller drei Beschuldigten verfügt. Es wurde den Beschuldigten bedeutet, daß sie sich bei der Polizeibehörde des Ortes, an den sie sich begeben, sofort nach ihrer Ankunft zu melden und jederzeit ihre Wiederverhaftung zu gewärtigen haben, da die Untersuchung noch keineswegs abgeschlossen sei. Es dürfte bekannt sein, daß in Folge dieser Haftentlassung in einer Anzahl von Zeitungen heftige Vorwürfe gegen mich und den Herrn Ersten Staatsanwalt erhoben wurden. Im Januar d. J. kam im Auftrage des Herrn Justizministers Herr Geh. Justizrath Vietsch aus Berlin nach Cleve. Auf dessen Rath habe ich einen Vermerk über mein Urtheil, den Angeschuldigten betreffend, zu den Akten gegeben. Am 24. Januar d. J. erhielt ich den Auftrag, die Voruntersuchung schleunigst abzuschließen. Am ersten Sonntag im Monat Februar 1892 theilte mir der Herr Erste Staatsanwalt mit, daß Kreisphysikus Dr. Bauer ein dem Buschhoff gehöriges Messer vorgefunden habe, das zur Ausführung des Mordes geeignet sei. Der Herr Erste Staatsanwalt fragte mich, ob ich daraufhin die Wiederverhaftung verfügen wolle. Ich erklärte, daß ich mich zunächst über die Sache unterrichten und die Herren Kreisphysikus Dr. Bauer und Kreiswundarzt Dr. Nünninghoff hören wollte. – Der Herr Erste Staatsanwalt führte mich alsdann zu dem Herr Oberstaatsanwalt, und dieser legte mir nahe, ob ich aus Anlaß meines verwandtschaftlichen Verhältnisses zu dem Vertheidiger die Weiterführung der Untersuchung nicht niederlegen wolle. Ich erklärte, daß ich mich nicht für befangen halte; die Strafkammer des hiesigen Land-Gerichts entschied jedoch am 8. Februar, daß Herr Land-Gerichts-Rath Birk die Untersuchung gegen Buschhoff, der am 9. Februar von Neuem verhaftet wurde, führen solle. Ich bemerke jedoch ausdrücklich, daß Herr Landgerichtsrath Birk meine Ansicht über die Schuld des Angeklagten vollständig theilte. Ich habe noch zu bemerken, daß es mir zu großem Verbrechen angerechnet wurde, weil ich am 20. Januar bei der Abhaltung eines Lokaltermins den Synagogen-Vorsteher, Herrn Kaufmann Oster in Xanten, hinzugezogen habe. Ich hätte eigentlich den Angeklagten, der damals in Köln wohnte, von der Abhaltung dieses Lokaltermins benachrichtigen müssen, allein, ich unterließ dies, da ich die persönliche Sicherheit des Buschhoff in Xanten für gefährdet hielt. Wie Recht ich hatte, bewies der fürchterliche Andrang der Menge; ich hätte drei Straßen absperren lassen müssen, wenn ich dem Andrang hätte begegnen wollen. Da mich nun
Hugo Friedländer: Der Knabenmord in Xanten vor dem Schwurgericht zu Cleve vom 4. bis 14. Juli 1892. W. Startz, 1892 Cleve, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Der_Knabenmord_in_Xanten_(1892).djvu/101&oldid=- (Version vom 31.7.2018)