Sigmund Freud: Eine Teufelsneurose im Siebzehnten Jahrhundert. In: Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften, 9. Bd., H. 1, S. 1-34 | |
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entsprechen. Auch spielt die Traumarbeit noch in anderer Weise mit den Zahlen des Wachlebens, indem sie mit souveräner Gleichgültigkeit sich um die Nullen nicht bekümmert, sie gar nicht wie Zahlen behandelt. Fünf Dollars im Traum können fünfzig, fünfhundert, fünftausend Dollars der Realität vertreten.
Ein anderes Detail in den Beziehungen des Malers zum Teufel weist uns gleichfalls auf die Sexualität hin. Das erste Mal sieht er, wie schon erwähnt, den Bösen in der Erscheinung eines ehrsamen Bürgers. Aber schon das nächste Mal ist er nackt, mißgestaltet und hat zwei Paar weiblicher Brüste. Die Brüste, bald einfach, bald mehrfach vorhanden, fehlen nun in keiner der folgenden Erscheinungen. Nur in einer derselben zeigt der Teufel außer den Brüsten einen großen, in eine Schlange auslaufenden Penis. Diese Betonung des weiblichen Geschlechtscharakters durch große, hängende Brüste (nie findet sich eine Andeutung des weiblichen Genitales) muß uns als auffälliger Widerspruch gegen unsere Annahme erscheinen, der Teufel bedeute unserem Maler einen Vaterersatz. Eine solche Darstellung des Teufels ist auch an und für sich ungewöhnlich. Wo Teufel ein Gattungsbegriff ist, also Teufel in der Mehrzahl auftreten, hat auch die Darstellung von weiblichen Teufeln nichts Befremdendes, aber daß der eine Teufel, der eine große Individualität ist, der Herr der Hölle und Widersacher Gottes, anders als männlich, ja übermännlich mit Hörnern, Schweif und großer Penisschlange gebildet werde, scheint mir nicht vorzukommen.
Aus diesen beiden kleinen Anzeichen läßt sich doch erraten, welches typische Moment den negativen Anteil seines Vaterverhältnisses bedingt. Das, wogegen er sich sträubt, ist die feminine Einstellung zum Vater, die in der Phantasie, ihm ein Kind zu gebären (neun Jahre) gipfelt. Wir kennen diesen Widerstand genau aus unseren Analysen, wo er in der Übertragung sehr merkwürdige Formen annimmt und uns viel zu schaffen macht. Mit der Trauer um den verlorenen Vater, mit der Steigerung der Sehnsucht nach ihm, wird bei unserem Maler auch die längst verdrängte Schwangerschaftsphantasie reaktiviert, gegen die er sich durch Neurose und Vatererniedrigung wehren muß.
Sigmund Freud: Eine Teufelsneurose im Siebzehnten Jahrhundert. In: Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften, 9. Bd., H. 1, S. 1-34. Internationaler Psychoanalytischer Verlag, Leipzig und Wien 1923, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Freud_Imago_9-1.djvu/18&oldid=- (Version vom 31.7.2018)