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Seite:Freiligrath-Prozess.djvu/45

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eine direkte Aufreizung ist diejenige, die gerade und unverrückt und unzweideutig auf ihr Ziel losgeht.

 Nach diesen Vorbemerkungen gehen wir zur Prüfung der Anklage selbst über.

 Freiligrath ist unzweifelhaft der Verfasser des Gedichtes; er hat es selbst gesagt. Er hat es in der Versammlung vorgelesen und einem Drucker übergeben. Es fragt sich, ob dieses Gedicht eine Aufreizung zum Bürgerkrige [WS:Bürgerkriege] enthalte. Man höre:

O, Volk und immer Friede nur in deines Schurzfells Falten etc. . . . .

Zum Kriege wird aufgefordert, der, „was dich büttelt“ nämlich die Gesetze umstürzen soll; es wird aufgefordert zum Kampfe gegen die Bürger desselben Staates.

 Die schauerliche Scene des Bürgerkriegs wird mit einer wahren Liebhaberei geschildert. Für jeden Moment soll der Ausbruch stattfinden. Aber mit Recht kann der Verfasser verlangen, daß das Ganze ins Auge gefaßt werde. Aus den Reden der Todten, die er sprechen läßt, sieht man aber, daß der Dichter dieselbe Ansicht hat. Der Dichter schwindet nicht aus der Reihe der Unzurechnungsfähigen, das würde unserer Poesie nicht zur Ehre gereichen. Die Dichter waren von jeher die Lehrer des Volks, sowohl zum Guten, als zum Bösen; er ist aber deshalb um so verantwortlicher. Mißbraucht er sie, ists gegen die Moral; wenn aber noch zur That, so fällt er in das Gebiet der Verbrecher. M H., ich will Ihre Leidenschaft nicht aufreizen, ich spreche zu Männern, die ihre Pflicht kennen. Nehmen wir an, das Ganze sei ein Werk dichterischer Phantasie, mußte es dann aber der Dichter nicht erkennen, als er es später las? Doch warf er diese Brandfackel in die Welt. In Ihre Hand, m. H. Geschworene, ist der Spruch gelegt; in dem Gedichte liegt die Aufreizung zum Umsturz der bestehenden Ordnung und in dieser Absicht hat der Verfasser es dem Drucke übergeben. Ich schließe

Empfohlene Zitierweise:
Stenographischer Bericht des Processes gegen den Dichter Ferdinand Freiligrath. Düsseldorf 1848, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Freiligrath-Prozess.djvu/45&oldid=- (Version vom 17.8.2016)