12. | II. Band. |
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Der Satz, daß Reichthum glücklich mache, hat sich schon lange widerlegt, und das Leben des grundreichen, jungen, blühenden und glühenden Julius bestätigte ihn auch nicht. Die Unzufriedenheit stand mit ihm auf, und die Zufriedenheit war nicht einmal in seinen Träumen zu finden. Seine Freunde hatten ihn betrogen, seine Geliebte ihn getäuscht, und auf Goldsäcken vertrauerte er ungeduldig seine Tage. Die Abwechselungen des Lebens machten ihm keine Freude mehr, und er, der Vielgereiste, Vielbekannte, vegetirte endlich in seinem Hause, wie die Auster in der Schale. – Reichthum allein macht nicht glücklich, der Irrthum ist erwiesen, und ein unserm Zeitgeiste anklebendes Vorurtheil, das ein Dasein übernatürlicher Geschöpfe läugnet, ist nicht minder irrig. Denn gewiß ist’s, daß Julius, vom Spleen der Langeweile befangen, einst auf einem seiner Speicher unter altem Geräthe herumstöbernd, ein Kästchen fand, antik und bestäubt, und seiner Schlüssel entbehrend, in welchem er, nachdem er es mit Gewalt geöffnet, ein sitzendes Männchen entdeckte, das nur spannenlang und in altspanische Tracht gekleidet war. Der kleine, ziemlich häßliche Gefangene erschreckte den Finder dermaßen, daß er im Begriffe war, das Kästchen zuzuschlagen, aber der Bewohner desselben ließ ein so feines und demüthiges: „Bitte, bitte!“ vernehmen, daß das Mitleid des neugierigen Julius rege wurde. – „Darf ich denn nicht heraus kommen?“ fragte das Männchen durch die offenstehende Deckelspalte, und erwiderte auf Julius Gegenfrage, wer denn der Herr wohl sei? „Ich bin nur ein armes, kleines, hinkendes Teufelchen, gefällig wie jenes, das Herr Lesage einst ziemlich indiskret porträtirte, ein Teufelsbanner hat mich vor etwa zweihundert Jahren hier eingesperrt, und da er zu Deiner Familie gehörte, junger Herr, so wäre es nur eine anständige Galanterie von Dir, wenn Du mich frei ließest.“ – Julius traute kaum seinem Ohre, und um einmal einen Teufel zu sehen, öffnete er behutsam den Deckel, und husch! – saß ihm gegenüber auf einer ausgespannten Wäschleine der kleine Puppenmann im Federhut, Mantel und Kragen, und schlenkerte lustig die Beine, die ihm vom langen Sitzen wohl eingeschlafen sein mochten. – „Grand merci!“ ließ er sich gegen den staunenden Julius vernehmen: „Du bist ein fideler junger Herr, und ich will Dir dankbar sein, ob es mir gleich eine Kleinigkeit wäre, ein paar niedliche Fledermausflügel auszuspannen und von dannen zu fliegen. Sage, womit kann ich Dir dienen?“ – Mit diesen Worten klapperte er mit harten Thalern in seinem Säcklein. – „Verzeihen Sie, mein Bester,“ versetzte Julius artig aber achselzuckend: „Dergleichen Zeug hab’ ich selbst im Ueberfluß, und Alles, was man sich damit verschaffen kann.“ – „Willst Du Gelehrsamkeit?“ fragte der Kleine weiter: „heraus damit. Von diesem Schatze kann ich Dir noch viel abgeben.“ – „Was man davon in’s Haus braucht, habe ich selbst,“ meinte Julius. – „Was hältst Du von der Schönheit und ihrer Gunst?“ fuhr das Teufelchen lachend
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 2). Braun & Schneider, München 1846, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_2.djvu/93&oldid=- (Version vom 11.10.2021)