„Das Volk ist hier zu matt und schlecht;
Ich seh’, Ihr brauchet einen Knecht,
Herr Vogt, den Ihr in Kält’ und Hitz
Recht schindet in Schindhudelwitz,
Hinfällt im ersten Abendroth,
Und der nicht immer Trank begehrt,
Und der nicht immer Speise zehrt,
Und der nicht ewig müßig steht,
Wie wär’s, wir schlössen den Contrakt? –
Ich bin so einer, der sich plackt.
Ich dusle nicht, wie Hinz und Hans,
Ich kenne nichts von Spiel und Tanz,
Ich reiße, ich zerlumpe nichts,
Ich will nicht Lohn nicht Gaben;
Nur Arbeit muß ich haben,
Sonst werd’ ich schlimm!
Und spricht: ich unterschreib! – Wohlan!
Nimm diesen Spaten, zieh dahier
Rings um das Gut den Graben mir:
Sechs Ellen tief, die Breite zehn;
Der Schwarze pustet in die Hand
Und sticht den Spaten in das Land. –
Ho, ho, was wirft der Klöße auf!
Das fliegt und flurrt in vollem Lauf! –
Bald ist er fern, bald ist er nah! –
Der Vogt, kaum traut er dem Gesicht,
Da steht er schon vor ihm und spricht:
Herr Vogt: das wäre nun erreicht!
Der Graben ist gegraben,
Und Arbeit muß ich haben;
Sonst werd’ ich schlimm!
So hau die Eichenknubben klein:
Hm, sagt der Knecht, wo ist das Beil?
Flink her, ich habe lange Weil’! –
Da liegt der Stiel, er ist entzwei. –
Ganz oder nicht, mir einerlei!
Da springen sie schon kurz und klein! –
Er schlägt und schmeißt: das fliegt umher
Als wenn’s Geschirr vom Töpfer wär! –
Die Spähne flirren über’s Haus,
Er liest sie auf und macht dann Schicht,
Und geht zum Vogte hin und spricht:
Der Stein that seine Schuldigkeit,
Die siebzehn Klafter sind so weit!
Und Arbeit muß ich haben;
Sonst werd’ ich schlimm!
Ho! sagt der Vogt: die find’t sich bald,
Geh’, wat’ im Schnee hinaus zum Wald,
Sieh zu ob sie herausser gehn;
Da hast ein Weilchen du zu thun,
Ich will indessen etwas ruh’n.
Ruht nicht zu lang, bald sind sie raus,
Im Hui! ist nun der Knecht im Wald
Und zerrt und rodet mit Gewalt,
Das Springen all der Wurzeln knallt
Als wenn der Donner kracht und schallt;
Und führt sie in den Hof herein.
Herr Vogt! die Stöcke liegen nun
Zersplittert wo die Knubben ruh’n,
Der Graben ist gegraben,
Sonst werd’ ich schlimm!
Da wendet sich der Vogt im Schlaf:
Jetzt ist es Nacht, vertracktes Schaf;
Drum nimm die Hornlatern’ und geh’
Da ist manch angefrorner Stein:
Geh’ hin und lies den Acker rein! –
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 2). Braun & Schneider, München 1846, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_2.djvu/42&oldid=- (Version vom 20.8.2021)