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Seite:Fliegende Blätter 2.djvu/37

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Nro. 29.
5. II. Bd.
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Lenardo und Blandine.
Tragische Pantomime in 5 Aufzügen nebst einem Vorspiele.
(Schluß.)




Vierter Akt.


Die Scene ist wie im dritten Akte, nur daß das Nachtlicht heller brennt und der Regen nachgelassen hat, statt dessen der keusche Mond vorwitzig durch die Mauerspalten guckt. Die Zugluft bringt wundersame klagende Töne hervor, ähnlich der unsichtbaren Stimme auf Ceylon. Blandine sitzt in reizendem Negligee auf dem bewußtlosen Kanapee.

Diese traurige Pause wird durch den Eintritt eines in schwarzen Flor gekleideten Lakaien unterbrochen, welcher mit einem herzerhebenden Entrechat der Prinzessin einen zerbrochenen Ring servirt und darauf verschwindet. Indem Blandine das Licht putzt, um sich denselben besser betrachten zu können, tritt ein Zweiter, henkermäßig kostümirter kachuchirend auf, und legt ihr ein verdecktes güldenes Schüsselein vor die zarten Füßchen. Die Verwunderung der Prinzessin ob dieser ungewöhnlichen Vorgänge thut sich mimisch durch ein sanftes Kneipen in die Rosenwangen und ein gelindes Raufen der Rabenlocken kund, dieselbe erreicht aber den höchsten Grad in dem Augenblicke, da ein Dritter in drap d’argent gehüllt ihr einen schwarz gesiegelten Brief überreicht, nach dessen Lesung sie unsanft zu Boden stürzt, eine lange Zeit hindurch nach Luft schnappt und zuletzt von einem konzentrirten Wahnsinn befallen wird. In dieser Wahnsinnsscene drückt sie Furcht, Hoffnung, Haß, Emancipation, Standesunterschied, Aktienschwindel, Sozialismus, Panslavismus, Herzbrechen und Hydropathie auf eine ergreifende Weise aus. Nach und nach wird sie ruhiger und agirt folgendes Rezitativ:



Blandine.

O wehe mir, unseligsten der Frauen,
Mein einzig Glück, sein Leben,
Hat er für mich dahingegeben!
Dies Unglück zieht mich in den Tartarus!
Ach, was beginn ich?
Ach, was ersinn ich?
Ihm zu folgen bin ich entschlossen –
Ist sein Blut für mich doch geflossen. –

Empfohlene Zitierweise:
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 2). Braun & Schneider, München 1846, Seite 033. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_2.djvu/37&oldid=- (Version vom 14.2.2021)