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Seite:Fliegende Blätter 1.djvu/93

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Nro. 12.
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Des Perlenfischers Töchterlein.


In Bayern ist ein Ländlein, heißt die Steinpfalz. Nun ist aber kein Ding auf der Welt ohne Grund, und so mag denn auch Niemand diesem Ländlein den Vorwurf machen, daß es seinen Namen nicht mit Fug und Recht trage. Vom böhmischen und bayerischen Walde her streichen zwei Granitarme, längs der Donau einer, und der andere nördlicher gegen Untergang zu, und bilden in ihrem Schooße einen freundlichen Thalgrund, benetzt von den braunen, geruhigen Wellen des Regenflusses. Aber nicht nur im Gebirge thürmen sich die Felsblöcke zu wundersamen, eigenthümlichen Gestaltungen auf, daß der Wandersmann sie für zerfallene Burgen oder Kirchen, allenfalls selbst für versteinerte riesige Menschengestalten ansehen möchte; auch in der Ebene liegen allenthalben die Granittrümmer zerstreut, als wäre hier der Schauplatz gewesen, wo weiland die Giganten mit Felsblöcken die Himmelsburg erstürmen wollten. Seit Jahrtausenden arbeiten Sturm und Regen an diesen steinernen Wahrzeichen, ebnen und glätten ihnen die Kanten und Ecken. Als wären sie durch kunstgeübte Hände zugemeisselt, so liegen sie nun mitten auf Feldern und Aengern, oder ragen wie eine Warte über das Waldesgrün empor, d’rauf man einen Blick weit herum in’s pfälzische Land werfen kann. Der heilige Beda, welcher nach den Chronikbüchern Steine in Brod zu verwandeln wußte, hätte hier für seine Wunderthätigkeit einen feinen Spielraum gefunden, und wäre den Leuten hier zu Lande höchlich willkommen gewesen. Denn die Pfälzer – obwohl sonst ein wackeres, braves Völklein – wollen doch das Brod lieber schon gebacken auflesen, als daß sie im Schweiße ihres Angesichtes ihren undankbaren Boden umreißen. Der kalte Granitsand des Erdreichs lohnt auch ihren Fleiß gar wenig, so daß Reichthum und Ueberfluß im Lande selt’nere Erscheinungen sind als die Schalttage. Selbst die Gießbäche, die von den Bergen in die Niederungen strömen, fördern

Empfohlene Zitierweise:
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/93&oldid=- (Version vom 20.11.2016)