wieder der goldene Strom der Ueppigkeit aus den wohlgefüllten Truhen und Kästen des Stadtschreibers floß, sobald ihn der Hochzeitstag mit Klaren zusammengepfercht. Aber freilich wollte diese Liebschaft dem Töchterlein nimmer munden, das den Anblick und die Gegenwart des storchbeinigen Galans mied, wo sie wußte und konnte. Denn im verborgenem Schrein ihres unschuldigen, jungfräulichen Herzens lebte ein ganz andres Bild – der wackere Konrad. Aber der war arm, und für Vater Schwepperlein ein nackter Buhle und unnützer Knecht, obgleich sonst der frömmste, arbeitsamste und lieblichste Gesell im Städtlein. Nur verstohlen konnte er Abends im Zwielichte mit dem holden, sittigen Mägdlein an ihrem Fenster kosen, und den Pakt ewiger, treuer Liebe erneuern, den sie sich schon lange geschworen, verstohlen nur und in ängstlicher Hast, da ein arger Hausdrache die Arme hütete, nämlich die Base Barbara Murchel, ihres Zeichens eine reine Jungfrau von sechzig Jahren, deren empfindsames Herz jedoch, trotz den Triefaugen, die ihr hinter dem rothen Hexenreif hervor blinzelten, und trotz ihren Runzeln und klappernden Knochenhänden, den süßen Hoffnungen zarter Minne noch nicht entsagt hatte.
Wenn nun sothane Barbara auf der einen Seite die jugendliche Buhlschaft störte und hinderte in boshafter Lust, nach Möglichkeit, so förderte sie auf der andern Seite nach Schwepperleins Willen die Liebe des Stadtschreibers, nicht bloß in süßer Erwartung der Fleischtöpfe Egypti, die auch ihr duften würden, sondern aus absonderlicher eigener Zuneigung. Denn – sollt ihr wissen – des Abends, wenn Klara schon lange in unschuldigen Träumen der Zukunft aus ihrem Lager entschlummert war, stieg herunter aus dem zweiten Stocke des Hauses über das Weingeländer ein schwarzer Kater und schlüpfte durchs geöffnete Fenster herein ins Kämmerlein zur harrenden Barbara. Krauend strich sie ihm den krummgebogenen Rücken, knurrend hob er den Buckel, und drängte sich mit süßen Katzenworten an die Holde. „Hinzelmännlein! Hinzelmännlein!“ kosete dann die Alte – „ach du liebes Herz, du würdiger Junge! Ich hab' dir ein Bratfischlein aufgehoben und du magst's nun auf meine Gesundheit verspeisen. Aber wo bist du denn heute so lange geblieben? Haben etwa der Herr Stadtschreiber sich vorher wieder ein kleines Jagdvergnügen gemacht, wie damals, als Sie in unglücklicher Vergessenheit einst am hellen Tage auf ein Mäuslein lauernd vor einem Kellerloche gesessen, und der regierende Bürgermeister Sie gesehen, die Perücke geschüttelt, und Ihnen zugerufen: ei, ei, Herr Stadtschreiber, was treiben Sie da für Allotria! O Hinzelmann, o Goldjunge! bleib mir treu und speise dein Fischlein! Sollst auch Klaren führen ins Kämmerlein! O sprühe nur knisternde Funken, du Loser! mein Herz knistert noch schmelzender in jungfräulicher Liebe für dich!“ – Wenn dann mit der Mitternachtstunde der herbe Moment der Trennung erschien und Hinzelmann schon wieder hinaufgeklettert war nach seiner Wohnung, tönte manchmal noch lange der Holden süßer Katzengesang herab vom Dache aus allen Tonarten und harmonischen Rückungen, die nur die Rossinis damaliger Zeit zur Welt gefördert. So war nun der Tag Cornelii herbeigekommen, an welchem die löbliche Bürgerschaft die Pappenheimer speisete. Lustiges und fröhliches Getümmel lebte vor dem Ententhore und Nepomuck Schwepperlein hatte ein Mahl eingerichtet, was noch nie in Katzweiler gesehen worden seit Menschengedenken.
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/72&oldid=- (Version vom 31.7.2018)