einer Tisch- und Bettgenossin, mancher Verliebte den Gram und das seelenmörderische Feuer seiner ungestillten Liebe verraucht.
Wie das erste Kind den jungen Mann zum Vater macht, so macht die erste Pfeife den jungen Menschen zum Mann.
Jeder kennt die Poesie, die uns in der ersten Blume, welche der Frühling erzeugt, entgegen blüht, in der ersten Reise, die wir über das Weichbild der Geburtsstadt unternehmen, uns aus Wald und Thal und Strom entgegenquillt, in dem ersten Kinde, zu dem wir uns als Vater zu bekennen veranlaßt sind, uns entgegenlächelt; aber dieß Alles reicht nicht an die Poesie der ersten Pfeife!
Jetzt hat der junge Mensch Etwas, was er mit Fug und Recht sein nennen kann; etwas Reelles, welches seiner idealistischen Stimmung das Gleichgewicht hält, eine interimistische Ergänzung seines innern Menschen, der nach einem zweiten weiblichen Sein verlangt, um sich mit ihm verschmelzen zu können – kurz, den Vorgeschmack der ehelichen Amalgamirung mit einer jungen Frau, welche durch die Pfeife symbolisch angedeutet und eingeleitet wird.
Und welche männliche Prüfungen muß ein junger Mensch bestehen, ehe es ihm gelingt, der ersten Pfeife vollkommen Herr zu werden! Seht die Krämpfe und Verzuckungen, die um seine Lippen spielen, nachdem er die ersten Züge gethan! Wie er die verhängnißvolle Pfeife immer wieder erlöschen läßt, und immer wieder sie anzündet, als fürchte er, die herbe Prüfung nicht bestehen zu können! Wie er seufzt, stöhnt, würgt, hustet und prustet! Wie endlich seine Lippen blau werden, seine Wangen erbleichen, seine Nase sich verlängert und zuspitzt, seine Augen halbgebrochen starren, und die Angst in Gestalt von Schweißtropfen auf seiner Stirne sichtbar wird! –
Doch nein! ich will dieß herzerschütternde Gemälde nicht weiter ausführen. „Das Leben ist ein Moment“ sagt Mortimer, „der Tod ist auch nur einer!“ Um wie viel mehr wird das Rauchen der ersten Pfeife nur ein Moment sein.
Der junge Mensch hat endlich die bittre Prüfung bestanden und ein Heiligenschein von Mannhaftigkeit und Würde schwebt um die bleiche Stirn des unerschrockenen Märtyrers.
Aber die Frauen leider verstehen diese Poesie des Rauchens nicht, und es ist dieses Mißverständnisses wegen manche Liebe und manche Ehe aus den Fugen gegangen, und, um so zu sagen, verraucht worden. Hört ihr lieben Leser folgende Geschichte:
Seraphine und Adalbert Töckel waren zwei junge und in sich und ihrem Gott vergnügte Eheleute. „Kein noch so leichtes Wölkchen,“ würde einer von den früheren Romanschriftstellern sagen, „trübte den Rosenhimmel ihrer Ehe,“ wobei man freilich eigentlich nicht weiß, was man unter Rosenhimmel zu verstehen hat. Leider ließ sich aber Herr Töckel von einer teuflischen Leidenschaft blenden, die ihn früher beherrscht hatte, von ihm mühsam unterdrückt wurde, jetzt aber wieder mit erneuerter Stärke zum Ausbruch kam. So lange er sich um die Liebesgunst der holden Seraphine bewarb und während der Bräutigamsepoche hatte er seine Tabakspfeife bei Seite gestellt; denn das Tabakrauchen war der Dämon, der ihn beherrschte, von dem aber Seraphine, geborne Pudel, lange Zeit nichts ahnte.
Jetzt als Ehemann und im sichern Besitze seiner liebenswürdigen Herzensdame, suchte er ein altes bestaubtes Gestell von einer Tabakspfeife wieder hervor, setzte sich in seine Arbeitsstube, verriegelte die Thür, stopfte, that ein paar Züge, immer scheu, wie ein Verbrecher, nach der Thür, um sich, hinter sich blickend, ob nicht der Engel von Frau sich durch das Schlüsselloch eingeschlichen habe. Er setzte die Pfeife weg, aber seine Blicke konnten von ihr nicht lassen, und die abgesetzte Geliebte sah ihn so wehmüthig an, so wehmüthig, daß es ihm wie ein Messerstich durch das Herz griff.
Noch ein paar Züge! – die Pfeife ist ausgeraucht; mehr nicht, nein, heute nicht. Und doch – die Stube ist ohnehin schon voll Rauch, also eine zweite Pfeife, eine dritte; Adalbert Töckel schwimmt in Rauchwolken; es ist bitter kalt draußen, er öffnet die Fenster; er badet sich in Eau de Cologne als er zu Tische gerufen wird; nichts hilft: seine junge Frau meint, seine Haare dufteten so eigenthümlich, nach einem Gemisch aus Riechwasser und Tabaksdampf; denn die Frauen haben eine eben so feine Spürnase, als die Jagdhunde, und werden von ihren Müttern eben so gut dressirt.
Herr Töckel schiebt ihren Geruch auf Sinnentäuschung und behauptet, sie müsse den Schnupfen haben. Seraphine geborne Pudel, aber, gründlich und neugierig, wie Frauen in solchen Dingen sind, schleicht sich heimlich auf Adalberts Arbeitszimmer, welches, wie er ausdrücklich begehrte, heute nicht gereinigt werden soll. Sie findet es verschlossen, den Schlüssel abgezogen; aber sie blickt durch das Schlüsselloch – die
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/166&oldid=- (Version vom 29.12.2019)