Der Frühling kam in’s Land herein!
Mit Ehrenpreis und Veigelein
War ihm das Hütlein rings umsteckt;
Mit Blüthenstaub der Schuh bedeckt –
„Grüß’ Gott, du lieblicher Geselle!“
Dann fliegt sie schnell zum Nest heraus
Hinüber an des Nachbars Haus,
Und als sie’s noch verschlossen sah,
Da öffnet sich das braune Haus,
Ein bunter Falter fliegt heraus,
Hat sich die Mähr’ erzählen lassen,
Und freut sich d’rob ohn’ alle Massen.
Maikäfer hergeflogen kam,
Der hört vom Lenz das frohe Wort,
Und trägt es flugs von Ort zu Ort,
Erzählt’s den Brüdern allzumal
Der Heuschreck, tief versteckt im Gras,
Hört von der Kunde dieß und das,
Und wispert d’rauf in aller Stille
Zum Heimchen und zur braunen Grille,
Maikäfer für Geschrei gemacht.
Tagfalter auch, der leichte G’sell’,
Verplaudert, was er weiß, zur Stell’,
Und bringt – den Honig noch im Munde –
Auch Bienlein hat nicht still geschwiegen,
Erzählt’s den Mücken und den Fliegen:
Und kaum in einer Stunde Zeit
Weiß es die Sippschaft weit und breit. –
Und faßt Beschluß im großen Rath,
Daß man den Frühling, wenn man wollte,
Mit einem Corso feiern sollte!
Dieß ward mit Freuden acceptirt.
Und baut sich aus dem Löwenzahn
Ein feines, leichtes Zweigespann,
Und setzet von Waldmeisterlein
Vier dunkelgrüne Räder ein,
Und bat, daß es ihm Kutscher wär.
Der Heuschreck und sein Hauskumpan
Bot selber sich als Rößlein an. –
Bald zog es her von allen Seiten,
Welch’ lustig’, duftiges Gespann,
Ein Paar Libellen vorne d’ran,
Und in dem Kelch von Maienglocken
Thät Holzbock und sein Liebchen hocken;
Das gab den schönsten Phaëton.
So ging es dann durch Flur und Halde
Und durch das Moos im Buchenwalde.
Die Vöglein han sich rings gefreut
An Wagen, Kutschen und Karrossen
Aus Blättern und aus Blüthensprossen,
Daß sie darauf aus freien Willen
Zur Fahrt begannen aufzuspielen. –
In der Insektenrepublik!
Da baut und zimmert sich Jedwed’
Sein Wäglein, wenn’s zum Corso geht:
Das ganze Proletariat
Goldkäfer thut sich nicht geniren,
Das Blumenwäglein zu kutschiren,
Darin der Todtengräber liegt,
Und sich am Honigkränzlein wiegt.
Und keiner gafft sich stumm und dumm,
Und keiner macht zu seiner Qual
Denselben Weg zehntausend Mal!
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/115&oldid=- (Version vom 9.5.2017)