ihren Geschichtswerken unseres Volkes Erwähnung gethan, anderseits aber auch zu Nutz und Frommen derer, die es nicht wissen oder sich stellen, als wüssten sie es nicht, diejenigen Männer namhaft machen, die unsere Geschichte nicht übergangen haben.
6 (2.) Zunächst muss ich mich lebhaft über diejenigen verwundern, die da meinen, man dürfe in Bezug auf die ältesten Begebenheiten sich nur an die Griechen halten und bei ihnen allein die Wahrheit suchen, während wir und die anderen Menschen keinen Glauben verdienten. Sehe ich doch, dass das gerade Gegenteil davon zutrifft, wofern man überhaupt den Thatsachen gemäss urteilen und nicht etwa von leeren Einbildungen sich leiten lassen will. 7 Bei den Griechen nämlich ist, wie du finden wirst, alles neu und sozusagen erst gestern und vorgestern geschehen: die Gründung der Städte, die Erfindung der Künste und die Aufzeichnung der Gesetze; fast das allerneueste aber ist bei ihnen die Pflege der Geschichtschreibung. 8 Anderseits giebt es, wie sie selbst gestehen, die älteste und stetigste Überlieferung bei den Aegyptiern, Chaldäern und Phoeniciern; uns nämlich will ich für jetzt noch nicht mit diesen zusammen erwähnen. 9 Alle jene Völkerschaften wohnen ja in Gegenden, welche am wenigsten den aus umliegenden Ländern kommenden Verderbnissen ausgesetzt sind, und sie haben von jeher eine besondere Sorgfalt darauf verwendet, dass die bei ihnen sich abspielenden Vorgänge nicht der Vergessenheit anheimfallen möchten, sondern stets von den weisesten Männern in öffentlichen Urkunden niedergelegt würden. 10 Griechenland dagegen war in seiner ganzen Ausdehnung von tausendfältigen Drangsalen heimgesucht, welche die Erinnerung an die Vergangenheit verwischten, und weil das Leben immer wieder auf neuen Grundlagen sich vollzog, so glaubte jedes Zeitalter, das, womit es selbst begann, sei überhaupt der Anfang gewesen. Auch lernten die Griechen erst spät und unzureichend die Buchstabenschrift: 11 denn selbst die, welche den Gebrauch der Schrift am weitesten in die Vorzeit zurückversetzen,
Flavius Josephus: Des Flavius Josephus Selbstbiographie, Gegen Apion. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1900, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FlavJosApionVitaMakkGermanClementz.djvu/90&oldid=- (Version vom 4.8.2020)